Der Elefant im Raum - AfD startet Wahlkampf ohne Spitzenkandidat Von David Nau, dpa

27.04.2024 18:22

Der Spitzenkandidat macht wegen möglicher China- und
Russland-Verstrickungen Schlagzeilen und fehlt daher beim
Wahlkampfauftakt der AfD. Die Partei versucht es mit Geschlossenheit
- und mit Attacke.

Donaueschingen (dpa) - Drinnen steht ein Elefant im Raum und sie
versuchen, auf verschiedene Art mit ihm umzugehen - draußen legen
Demonstranten den Finger genüsslich in die Wunde, die im
Europawahlkampf der AfD klafft. «Alternative für Diktatoren» steht
auf einer großen Leinwand, die beim Wahlkampfauftakt der Partei auf
einem Transporter vor der Halle im baden-württembergischen
Donaueschingen angebracht ist. Darunter prangt das Konterfei von
Maximilian Krah, in der Hand hält er eine russische und eine
chinesische Fahne.

Vom Spitzenkandidaten selbst ist beim Wahlkampfauftakt am Samstag
nichts zu sehen: Wahlplakate mit seinem Gesicht sucht man in den
Donauhallen vergeblich, in den Spots zum Wahlprogramm ist er
ebenfalls nicht zu entdecken.  

Eigentlich hätte Krah gemeinsam mit den Parteichefs Alice Weidel und
Tino Chrupalla die heiße Phase des Wahlkampfs für die Abstimmung am
9. Juni eröffnen sollen - stünde er nicht seit Wochen wegen Berichten
über mögliche Verbindungen zu prorussischen Netzwerken und zu China
in den Schlagzeilen. Nach einem Krisentreffen Weidels und Chrupallas
mit Krah teilte die Partei am Mittwoch mit, Krah verzichte auf einen
Auftritt in Donaueschingen, «um den Wahlkampf sowie das Ansehen der
Partei nicht zu belasten». Andere Auftritte wurden teils ebenfalls
gestrichen, auch Wahlwerbespots mit Krah soll es nicht geben. 

Die Partei steht deswegen in Donaueschingen vor dem Problem, ihren
Wahlkampf ohne den Mann eröffnen zu müssen, mit dem sie eigentlich
die Wähler überzeugen wollte. Thema ist er trotzdem irgendwie. Die
beiden Parteichefs gehen mit diesem Umstand unterschiedlich um.  

Chrupalla dankt Krah, dass er auf den Auftritt verzichtet hat - und
ruft dazu auf, die Reihen zu schließen. «Es ist mittlerweile
abenteuerlich, mit welchen Mitteln unsere Partei zersetzt werden
soll, wie man unsere Partei beschädigen will, wie man Unruhe stiften
will und Misstrauen», sagt Chrupalla. Dem müsse und werde man
widerstehen. «Wir werden mit dem Wahlkampf zeigen, dass man uns nicht
so schnell unterkriegen kann und dass wir geschlossen
zusammenstehen.»

Co-Chefin Weidel nennt Krahs Namen nicht ein einziges Mal und hält
sich stattdessen an das Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.
Ihre Rede ist eine Aneinanderreihung bewährter AfD-Klassiker: Sie
schimpft auf Politiker der Ampel-Parteien, spricht von «geballter
Inkompetenz». «Die würden in einem normal funktionierenden
mittelständischen Unternehmen nicht mal mit der Kneifzange
angefasst.» Die Regierenden machten gezielt Politik gegen die eigene
Bevölkerung, sagt sie. Und wer die Ukraine unterstützen wolle, der
solle bitte selbst dorthin gehen. Die Anhänger hören das offenbar
sehr gerne, der Saal tobt nach ihrer Rede, fast alle springen von den
Stühlen auf.

Ähnliche Reaktionen ruft auch ein Wahlkampfspot hervor, der das
Wahlprogramm der Rechtspopulisten in 100 Sekunden zusammenfasst. Auch
darin die Klassiker der Partei: souveräne Nationalstaaten statt
zentralisierte EU, Wiedereinstieg in die Atomkraft, harte
Außengrenzen. Besonders laut johlt das Publikum beim Thema Gendern:
«Nur Frauen können Mütter und Männer keine Frauen werden», heiß
t es
in dem Film - oder: «Wir wissen: Fachkräfte kommen nicht mit dem
Schlauchboot.»

Ein Problem hat die AfD aber nicht nur mit ihrem
Europa-Spitzenkandidaten Krah. Auch gegen den Bundestagsabgeordneten
Petr Bystron, der auf Platz zwei der Liste steht, gibt es Vorwürfe zu
Russland-Verbindungen. Staatsanwaltschaften prüfen nach
Medienberichten über mögliche Geldzahlungen bei beiden Politikern, ob
Ermittlungen aufgenommen werden. Bei Krah wird zudem geprüft, ob es
Ermittlungen wegen möglicher chinesischer Zahlungen geben soll.

Krah steht zusätzlich unter Druck, weil einer seiner Mitarbeiter
wegen mutmaßlicher Spionage für China verhaftet wurde. Der sächsische

AfD-Politiker ist nach Aussagen kritischer Parteikollegen in der
Vergangenheit immer wieder mit pro-chinesischen Äußerungen und
Aktivitäten aufgefallen.

Beide Politiker haben gegenüber der AfD-Spitze versichert, kein Geld
genommen zu haben. Sollten sich die Vorwürfe trotzdem bewahrheiten,
drohen ihnen Konsequenzen, macht Chrupalla am Samstag erneut
deutlich. «Dass Meinungen und auch Positionen in der Alternative für
Deutschland niemals käuflich sein werden, das verspreche ich», sagte
er. Wer nachweislich käuflich sei, der müsse auch gehen. «Aber es
muss bewiesen und nachgewiesen werden.»