EU-Dolmetscher Ioannis Ikonomou spricht 32 Sprachen Von Dorothée Junkers, dpa

05.02.2009 01:30

Brüssel (dpa) - Deutsch beherrscht Ioannis Ikonomou natürlich
auch. Nicht, dass bei dem Griechen früher ein Elternteil die
Fremdsprache gesprochen hätte, wie bei mehrsprachigen Kindern
üblicherweise der Fall. Ikonomou ist ein Ausnahmetalent. 32 Sprachen
beherrscht der 44-Jährige, der als Übersetzer bei der EU-Kommission
in Brüssel arbeitet. Dazu kommen Kenntnisse in einer Reihe weiterer
Sprachen. Sein Können hat ihm unter Kennern Bewunderung eingebracht,
seine Intelligenz die Mitgliedschaft im Weltverband für Hochbegabte,
«Mensa». Doch das Talent, berichtet Ikonomou, mache auch einsam.

Erklären kann er seine Begabung nicht. Er sei wohl damit geboren
worden. Als 5-Jähriger habe er Englisch gelernt, zwei Jahre später
folgte Deutsch. «Noch bevor ich 10 Jahre alt war, kam Italienisch
dazu.» Eine Sprache nach der anderen folgte, es sei «wie ein Spiel».
Stets zählen für ihn auch Kultur, Religion und Traditionen des
Sprachkreises dazu, die er sich bei Reisen erschließt. «Wie kannst Du
Griechisch lernen, ohne griechischen Wein getrunken zu haben?»

Vor gut 12 Jahren trat Ikonomou einen Job bei der Kommission an,
zunächst als Dolmetscher für Konferenzen. Seit 2002 arbeitet er als
Übersetzer für juristische Texte. Und das nicht nur etwa aus dem
Dänischen oder Portugiesischen ins Griechische, sondern auch aus dem
Aserischen oder Weißrussischen ins Englische. Selbst in den
polyglotten Kreisen der EU-Übersetzer sei sein Fall «absolut
außergewöhnlich», bemerkt EU-Sprachenkommissar Leonard Orban.

Staunen auch beim Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer
(BDÜ). «Ein Übersetzer mit fünf Arbeitssprachen oder mehr, ist aus
Sicht des BDÜ bereits eine Ausnahmeerscheinung», erklärt Vereinschef
Johann J. Amkreutz. Bei Ikonomou sind es gut fünfmal so viel. «Bei
Dolmetschern, die die gesprochene Sprache übertragen, hat jeder mit
vier Arbeitssprachen aufwärts bereits ein außerordentlich großes
Sprachtalent.» Hier hat der Grieche neun vorzuweisen. Selbst «tote
Sprachen» wie Gotisch, Sanskrit oder Latein hat Ikonomou studiert.

Begonnen hatte alles auf der Mittelmeerinsel Kreta. «Ich wollte
unbedingt verstehen, was die Touristen sagten», erinnert er sich.
«Ich hörte zu, die ganze Zeit, es waren für mich irgendwelche Laute,
ohne Bedeutung.» Für seine Eltern - sein Vater ist Direktor im
Finanzministerium und seine Mutter ist Religionslehrerin - seien
Sprachen «eigentlich überhaupt nicht wichtig» gewesen. Aber sie
hätten ihm immer geholfen. «Wenn ich wieder einmal keinen Lehrer
finden konnte, haben sie mir audio-visuelle Methoden gekauft.» Eine
Odyssee aus Studien und Stipendien brachte Ikonomou hinter sich: An
die Universitäten von Columbia und Harvard, nach Wien, Peking oder
Teneriffa.

Seine Familie - der polnische Ehemann in Brüssel und Eltern und
Schwester in Athen - hat sich gewöhnt an das Sprachgenie. Doch so
recht teilen kann Ikonomou seine Leidenschaft nicht. Seinen Freunden
berichte er beispielsweise von seiner Reise nach Mexiko, aber nicht
von seiner Freude im dortigen Museum für Anthropologie. «Ich fühle
mich ganz einsam, aber das habe ich akzeptiert, das nehme ich an»,
sagt er. «Und wenn ich andere vielsprachige Leute treffe,
interessieren sie sich vielleicht für Dinge, für die ich mich kaum
interessiere, zum Beispiel nur für das Sprachenlernen.»

Nur die Sprache ist ihm zu «langweilig». Die Poesie altiranischer
Sprachen, Tolstoi und Dostojewski im russischen Original, die
Lebensweisen des Hinduismus: «Für mich gehören Sprachen und
Zivilisationen zusammen.» Ikonomou bezeichnet sich als Atheist. «Aber
ich haben einen enormen Respekt vor Religionen.» Als nächstes will
der Grieche Amharisch, die Amtssprache Äthiopiens lernen. «Ich liebe
das Land, die Kultur, und das äthiopische Essen.» Nach Hebräisch sei
es «eine weitere semitische Sprache, deshalb lohnt es sich für mich».

Seinem Job bei der EU will Ikonomou treubleiben. «Unser
gemeinsames Europa zu bauen ist etwas Tolles», schwärmt er. «Auch
wenn die Texte, die ich übersetze, eher trocken und langweilig sein
können - das ist Demokratie, dass jeder EU-Bürger in seiner Sprache
die Gesetzgebung der EU finden kann.» In Planung ist indes ein Buch:
«Ich will über alte Zivilisationen schreiben, Altägyptisch oder die
Gnostischen Evangelien haben mich fasziniert. Nicht über Sprachen,
aber über das, was diese Sprachen mir beigebracht haben.»
dpa dj xxzz a3 jg