Montenegro wieder im Visier der Mafiajäger Von Thomas Brey, dpa

22.02.2010 13:44

Belgrad (dpa) - Der montenegrinische Außenminister Milan Rocen
führt am Montag in Brüssel am Rande des EU-Außenministertreffens
Gespräche. Am Dienstag ist er von der EU-Kommission zum jährlichen
«Dialog EU-Montenegro» geladen. Doch diesmal hat der Chefdiplomat des
kleinen Adrialandes, das im vergangenen Jahr seinen EU-
Beitrittsantrag abgegeben hat, einen schweren Stand. Seine Heimat ist
einmal mehr ins Visier der Mafiajäger geraten. Die Vorwürfe wiegen
schwer: Mächtige Anführer der Organisierten Kriminalität sollen in
Montenegro unbehelligt von Strafverfolgung leben können.

Oppositionsführer Nebojsa Medojevic wird seit Monaten nicht müde,
die politische Führung unter Regierungschef Milo Djukanovic zu
beschuldigen, sie mache mit der Mafia Geschäfte. Der Ministaat mit
nur 620 000 Einwohnern sei der «Privatbesitz» der Familie Djukanovic,

die gemeinsam mit windigen Geschäftsleuten und Mafiagrößen überall
im
Land absahne. Dass Medojevic am Samstag vor seinem Haus angegriffen
wurde, soll nach offizieller Darstellung ein Zufall gewesen sein.
Dass der Angreifer sich als Verwandter eines mutmaßlichen Paten
vorstellte, wiegt schon schwerer.

Seit Wochen klagt auch das benachbarte Serbien, selbst nicht
unbedingt das Paradies der Rechtsstaatlichkeit, Montenegro an. Der
Nachbarstaat habe den mit internationalem Haftbefehl gesuchten Serben
Darko Saric laufen lassen, lautet der Vorwurf. Der 39-jährige Saric
soll die im vergangenen Oktober aufgeflogene Lieferung von 2,4 Tonnen
Kokain von Südamerika nach Montenegro organisiert haben. Verwunderung
löste das Angebot von Regierungschef Djukanovic aus, Saric könne die
montenegrinische Staatsangehörigkeit erhalten, weil er nicht
vorbestraft sei.

Die serbische Justizministerin Snezana Malovic hat ihren
Amtskollegen aus Montenegro für diesen Donnerstag nach Belgrad
eingeladen, um gemeinsam mit den Staatsanwälten beider Länder die
strittigen Ganovenfälle zu klären. Nach serbischen Angaben könnten
sich viele gesuchte mutmaßliche Mafiagrößen in Montenegro verstecken.

Dazu gehöre auch der «Drogenboss» Safet Kalic aus der
montenegrinischen Stadt Rozaj im Grenzgebiet zu Serbien, an dem auch
deutsche Behörden Interesse haben.

Dem Angriff auf Oppositionsführer Medojevic waren seine schweren
Anschuldigungen an die Adresse des Montenegriners Branislav «Brano»
Micunovic vorausgegangen. Der 55-Jährige soll danach der «ungekrönte

König der Balkan-Unterwelt» sein und selbst die Djukanovic-Familie in
der Hand haben. Eine Parlamentsdelegation solle zu «diesem
montenegrinischen Sultan gehen, ihm die Hand küssen und bitten,
(Narkoboss) Saric auszuliefern», hatte Medojevic ironisch
vorgeschlagen. Regierungschef Djukanovic selbst hatte in den letzten
Jahren mehrere ausländische Untersuchungen über seine Rolle beim
Milliarden-Zigarettenschmuggel in den 90er Jahren umgehen können.
dpa ey xx a3 k6 cro