EU-Parlament will unbezahlte Praktika abschaffen

11.08.2010 16:10

Brüssel/Berlin (dpa) - Angesichts der wachsenden Zahl von
Praktikanten will das Europaparlament der Ausbeutung von Jugendlichen
durch kostenlose Praktika einen Riegel vorschieben. In einer
Resolution forderten die Parlamentarier die EU-Kommission und den
Ministerrat dazu auf, eine Europäische Qualitätscharta mit
Mindestanforderungen für Praktika zu schaffen - darunter ein
Grundgehalt zur Abdeckung der Lebenshaltungskosten des Praktikanten
und eine zeitliche Begrenzung.

Die Kommission prüfe derzeit das Ansinnen, das bereits im Juli
gestellt worden sei, sagte ein Sprecher am Mittwoch in Brüssel. Die
Gestaltung der Arbeits- und Sozialpolitik behalten sich die
EU-Mitgliedsstaaten weitgehend vor. Die EU hat somit in der Regel
keine direkte Kompetenz, sondern kann nur Anstöße geben. Der Antrag
des Parlaments verpflichtet die Kommission nicht zum Handeln.

«Ziel ist es, Bildungswert zu sichern und Ausbeutung zu
vermeiden», heißt es in der Resolution des Europaparlaments. In der
Krise ersetzten viele Arbeitgeber reale Arbeitsplätze durch Praktika.
Nach einer Studie des Bundesarbeitsministeriums arbeitet
rund die Hälfte aller Praktikanten in Deutschland unentgeltlich.

Die deutsche Wirtschaft lehnt neue Regeln ab. «Ein zwingendes
Salär zu fordern, würde die Kosten unangemessen erhöhen und das
Angebot an Praktikumsstellen reduzieren», teilte die
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) auf Anfrage
mit. Einzelfälle, in denen Praktikanten nicht fair behandelt würden,
dürften «kein Anlass sein, das sinnvolle Instrument Praktika so
überzuregulieren, dass die Unternehmen keine Praktika mehr anbieten».
Zudem schreibe das Berufsbildungsgesetz eine Vergütung für bestimmte
Personen vor, die eingestellt würden, um berufliche Fertigkeiten zu
erwerben.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ist
skeptisch. «Praktika sind in erster Linie Lernverhältnisse. Eine
generelle Vergütungspflicht würde dazu führen, dass Unternehmen viele

sinnvolle Praktika nicht mehr anbieten würden», sagte
DIHK-Bildungsexperte Kevin Heidenreich auf Anfrage. Richtig sei, den
Missbrauch von Praktika zu unterbinden.

Auch innerhalb des Europaparlaments ist der Vorstoß umstritten.
Die Resolution geht auf einen Entwurf der dänischen Abgeordneten
Emilie Turunen (Grüne) - mit 26 Jahren die jüngste
EU-Parlamentarierin - zurück. Die FDP reagierte bereits ablehnend.
«Unbezahlte Praktika ganz zu verbieten, ist eine völlig überzogene
Schlussfolgerung», schreibt Nadja Hirsch, sozialpolitische Sprecherin
der FDP im Europaparlament, auf ihrer Internet-Seite.

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