Gipfel soll den Euro absichern - Kanzlerin Merkel ohne Spielraum Von Marion Trimborn und Frank Rafalski, dpa

09.03.2011 16:33

Den Euro krisenfest machen - an dieser Aufgabe arbeitet Europa nun
schon seit mehr als einem Jahr. Beim Sondergipfel wollen die
Euro-Chefs eine Wirtschaftsregierung beschließen. Doch das dürfte
nicht reichen. Bis Ende März soll ein Gesamtpaket stehen.

Brüssel/Berlin (dpa) - In jüngster Zeit sind die Finanzmärkte in
Europa wieder nervös geworden. Euro-Wackelkandidat Portugal zahlt
erneut Rekordzinsen für seine Schuldenpapiere, Griechenland wurde
überraschend von der Agentur Moody's auf Ramschniveau herabgestuft.
War das Vertrauen in den Euro vorübergehend zurückgekehrt, so macht
die aktuelle Lage deutlich, dass die Krise keineswegs überwunden ist.
Der Druck auf die Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Länder ist
groß, an diesem Freitag (11. März) in Brüssel Antworten zu finden.

Auf dem Tisch liegt ein «Pakt für den Euro», der Elemente einer
Wirtschaftsregierung enthält, wie Berlin und Paris sie fordern. Die
Euro-Länder wollen Selbstverpflichtungen in punkto Haushalts-,
Steuer- und Sozialpolitik beschließen - und damit einen Geburtsfehler
des Euro, die fehlende Wirtschaftspolitik, beseitigen.

Allerdings musste das deutsch-französische Tandem Zugeständnisse
machen. Weder die Abschaffung der Lohnindexierung - bei der Löhne
automatisch entsprechend der Inflationsrate steigen - noch ein
konkretes Renteneintrittsalter oder eine Schuldenbremse nach
deutschem Vorbild scheinen mehrheitsfähig zu sein. «Der Pakt ist nur
noch ein Schatten seiner selbst», sagt ein EU-Diplomat über den
jüngsten Entwurf für das Gipfel-Abschlussdokument.

Ob und wie viel Wirkung der Euro-Pakt überhaupt entfalten wird,
ist umstritten. Schon mehrfach haben europäische Regierungschefs
versucht, ihre Wirtschaftspolitik zu koordinieren. So sollte der
Euro-Stabilitätspakt Mitte der 90er Jahre dafür sorgen, dass die
nationalen Regierungen nicht zu hohe Schulden anhäufen. Doch als
Deutschland und Frankreich 2003 gegen die Defizitkriterien
verstießen, unterwarfen sie sich nicht den vorgesehenen Sanktionen,
sondern weichten den Pakt auf. «Das Prinzip der internationalen
Regierungszusammenarbeit hat in der EU noch nie funktioniert»,
kritisiert der frühere belgische Regierungschef und Vorsitzende der
Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt.

Wer soll darüber wachen, dass die Euro-Staaten ihre
Selbstverpflichtungen auch einhalten? Aus der Bundesregierung heißt
es, der Druck der anderen Staats- und Regierungschefs werde schon
dafür sorgen, dass Länder sich entsprechend verhielten. Ein
EU-Diplomat hält dagegen: «Das ist absolutes Wunschdenken».

Nach gängiger Einschätzung kann der Pakt zudem nicht die aktuellen
Probleme des Euro-Raums lösen - denn er wirkt nur präventiv und ist
auf die Zukunft gerichtet. Das wissen auch die Euro-Chefs, so dass
sie am Freitag vor allem über das Gesamtpaket zur Euro-Rettung reden
dürften, das bis zum nächsten regulären Gipfel am 24./25. März steh
en
soll. Dazu gehören Kernpunkte für den dauerhaften Rettungsschirm ab
2013, der mit 500 Milliarden Euro ausgestattet sein soll. Dafür wird
der EU-Vertrag geändert. Das Gesamtpaket enthält auch ein Bekenntnis
zur Verschärfung des Euro-Stabilitätspakts, um Schuldensünder
schneller und härter zu bestrafen.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird der Euro-Sondergipfel
eine Gratwanderung. Wie weit kann sie gehen bei der Zusage deutscher
Hilfen, ohne anschließend großen Ärger mit ihren Koalitionsfraktionen

in Berlin zu bekommen? CDU/CSU und FDP haben ihre «Roten Linien»
bereits festgeschrieben. Zentraler Punkt dabei: Die Schulden nahezu
insolventer Euro-Staaten - wie Griechenland - dürfen weder direkt
noch indirekt auf die Euro-Länder und damit auf Deutschland verlagert
werden. Dazu gehören auch Schuldenankaufprogramme der Europäischen
Zentralbank oder des Euro-Rettungsschirms.

Ebenso soll der dauerhafte Krisenmechanismus nur als absolute
Notbremse («ultima ratio») gelten und nicht «präventiv» eingesetz
t
werden. Letztlich soll darüber nur einstimmig im Rat der Staats- und
Regierungschefs entschieden werden, so dass der Rettungsmechanismus
nicht gegen den Willen Deutschlands aktiviert werden könnte.

In Berlin blinken alle Warnleuchten angesichts des Drucks aus
mehreren EU-Ländern - nicht nur Griechenland und Portugal - doch noch
die Tür zu einer raschen Entlastung der schuldengeplagten EU-Länder
zu öffnen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schließt das
kategorisch aus. «Klar ist: Die Gemeinschaft der Eurozone kann nicht
die Haftung für die Schulden eines Landes übernehmen.»

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## Internet
- [Abschlussbericht vom EU-Gipfel am 4. Februar](http://dpaq.de/ZAgKj)

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