Portugal droht Bankrott - EU-Gipfel alarmiert Von Marion Trimborn, dpa

24.03.2011 16:15

Die Schuldenkrise in Europa spitzt sich wieder zu. Portugal steht vor
der Pleite. Die Flucht unter den Euro-Rettungsschirm scheint
unausweichlich. Und das alles unmittelbar vor dem EU-Gipfel, der ein
Wendepunkt in dem Dilemma sein soll.

   Brüssel/Lissabon (dpa) - Europa stellt sich auf milliardenschwer
e
Hilfen für den nächsten Pleitekandidaten Portugal ein. Auf dem
EU-Gipfel in Brüssel präsentierte sich das ärmste Land Westeuropas am

Donnerstag ohne handlungsfähige Regierung. Portugal dürfte nach
Irland das nächste Euroland sein, dass unter den EU-Rettungsschirm
flüchten muss. Auf dem EU-Gipfel wurde aber kein Hilfsantrag
erwartet.

Um solche für den Euro gefährliche Schieflagen künftig zu
vermeiden, wollten die Staats- und Regierungschef bis Freitag ein
Maßnahmenpaket beschließen, das die gemeinsame Währung dauerhaft vor

Spekulationen schützen soll.

Deutschland drängt nach Diplomatenangaben Lissabon schon länger,
Hilfe anzunehmen. Der Chef der konservativ orientierten Partei der
Sozialdemokratie, Pedro Passos Coelho, beschwichtigte dagegen, er
hoffe nicht, dass andere Länder Portugal aus der Klemme helfen
müssten. Nach Schätzungen benötigt Portugal zwischen 60 und 70
Milliarden Euro. Griechenland hatte ein separates Hilfspaket von
seinen Partnern und dem Internationalen Währungsfonds bekommen.

Auf dem Programm des EU-Gipfels stand zudem die Atom-Katastrophe
in Japan und der Krieg gegen Libyen. In der EU gibt es Streit, ob die
143 Reaktoren einem «Stresstest» auf ihre Sicherheit unterzogen
werden müssen. Deutschland ist dafür.

   Bei dem internationalen Einsatz gegen Libyen reagieren Partner wie

Frankreich mit Unverständnis auf die Haltung der Bundesregierung,
sich nicht an dem militärischen Einsatz gegen Libyens Machthaber
Muammar al-Gaddafi zu beteiligen.

   Der umfassende Euro-Pakt gilt als historisch. Es ist die größt
e
Reform seit Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 1999. Auch
wenn die meisten Punkte des Maßnahmenbündels inzwischen abgestimmt
sind, rechneten Diplomaten dennoch mit Streit über Details.

   Aus einigen Delegationen war zu hören, dass Bundeskanzlerin Ange
la
Merkel (CDU) vor den wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg
und Rheinland-Pfalz am kommenden Sonntag noch einmal mit einer harten
Verhandlungsführung beim Wähler punkten wolle.

   Ziel des Pakets ist es, die Märkte zu beruhigen und künftige
Schuldenkrisen zu vermeiden. Allerdings könnte dies für Portugal,
dessen Regierung wegen des harten Sparkurses am Mittwochabend
zurücktreten musste, zu spät kommen.

Ökonomen gehen die Reformbeschlüsse nicht weit genug, weil sie die
aktuelle Krise nicht lösen, und auch die Märkte zeigen sich
unbeeindruckt. Der Euro verlor und sank auf 1,41 US-Dollar. Gegen die
Sparpolitik der EU-Staaten demonstrierten in Brüssel rund 20 000
Menschen, dabei kam es auch zu Ausschreitungen.

   Die Partner sahen Portugal weiter in der Pflicht. «Die
portugiesische Regierung muss dem Gipfel nun eine Analyse vorlegen»,
verlangte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

   Der EU-Gipfel will zum Euro ein Reformpaket beschließen.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy lobte im Vorfeld: «Dies ist ein
Wendepunkt im Krisenmanagement.» Allerdings räumte der Gipfelchef
auch ein, dass nicht alle Probleme vorüber seien.

   Als Mittel gegen die Krise stockt Europa die Hilfen für Staaten,

die unmittelbar vor dem Bankrott stehen, auf. Es vergrößert den
Rettungsschirm und spannt ihn dauerhaft auf. So wird der jetzige
Fonds auf 440 Milliarden Euro aufgestockt. Die Details dazu werden
aber erst im Juni festgelegt - auch das verunsichert die Märkte.

   Von 2013 an wird es einen neuen Schirm (ESM), der auf Dauer
angelegt ist, von rund 700 Milliarden Euro geben. Er löst den
bisherigen Fonds EFSF ab, der im Mai vergangenen Jahres auf dem
Höhepunkt der Krise überhastet geschaffen wurde. Von 2013 an sollen
private Gläubiger an Rettungskosten beteiligt werden.

   Die Kanzlerin verlangte noch Nachbesserungen. Deutschland muss
über fünf Jahre gestreckt rund 22 Milliarden Euro für den neuen
Rettungsschirm einzahlen. Merkel forderte eine Staffelung der
Zahlungsfristen. In einer Regierungserklärung im Bundestag
beschwichtigte sie die Sorgen der Steuerzahler: «Die Haftung für
Deutschland ist nach oben begrenzt.»

   Zweitens verpflichten sich alle 17 Euro-Länder dazu, ihre
Wirtschaftspolitik abzustimmen («Pakt für den Euro»). Zudem bekennen

sich die Staaten zum Sparen und zu Wirtschaftsreformen. Doch
Schuldensünder werden auch künftig nicht automatisch bestraft.

   Auch nach dem Scheitern der Socrates-Regierung fordert die EU
einen harten Sparkurs von Portugal. Die Vorgaben müssten erreicht
werden, sagte der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, Luxemburgs
Jean-Claude Juncker.

   Auch im Steuerstreit mit Irland zeichnete sich vor dem Gipfel
keine Lösung ab. Dublin möchte in Brüssel verbilligte Zinsen für
seine milliardenschweren Hilfskredite haben. Im Gegenzug verlangten
die EU-Partner eine Anhebung der sehr niedrigen Körperschaftssteuer.
Regierungschef Enda Kenny signalisierte kein Einlenken.

# dpa-Notizblock