Experten: Kein Ansturm aus Osteuropa zu erwarten

19.04.2011 17:19

Die Frage, ob mit der am 1. Mai beginnenden vollen
Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU ein Ansturm von Einwanderern
nach Deutschland zu erwarten ist, ist derzeit viel diskutiert.
Experten geben sich gelassen.

Berlin/Warschau (dpa) - Nach der Öffnung des deutschen
Arbeitsmarktes am 1. Mai wird es nach Einschätzung von Experten
keinen Massenansturm von Arbeitskräften aus Polen und anderen
osteuropäischen Ländern nach Deutschland geben. Auch sei nicht damit
zu rechnen, dass hoch qualifizierte Einwanderer Schlange stehen.

In Berlin sagte der ehemalige NRW-Integrationsminister Armin
Laschet (CDU) am Dienstag: «Wir tun so, als ob Millionen vor der Tür
stehen und wir jetzt aussuchen könnten.» Tatsächlich aber tobe um
die besten Köpfe längst ein weltweiter harter Wettbewerb.
Deutschland sei mit seiner Einwanderungsgesetzgebung darauf nicht
vorbereitet. Laschet will dazu im Rahmen einer überparteilichen
Arbeitsgruppe bis Oktober Vorschläge für eine Reform vorlegen.

Der Ko-Vorsitzende der Kommission, der ehemalige Vorsitzende der
SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, erwartet von der am 1. Mai
beginnenden vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU, dass «eher
gering qualifizierte Menschen» nach Deutschland kommen. Laschet
ergänzte, «die Besten» seien längst in anderen Ländern.

Er halte den «Status quo» für das wahrscheinlichste Szenario,
sagte Pawel Kaczmarczyk vom Migrationsforschungszentrum der
Warschauer Universität der Nachrichtenagentur dpa am Rande einer
Fachkonferenz in Warschau.

Der Arbeitsmarktforscher Klaus Zimmermann, wies ebenfalls
Befürchtungen über eine Einreisewelle nach Deutschland zurück.
«Nichts spricht für ein solches Szenario, die Auswirkungen werden
eher moderat bleiben», betonte der Direktor des Instituts zur
Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. Er rechnet anfangs maximal mit 150
000 Zuwanderern im Jahr aus Osteuropa.

Kaczmarczyk zufolge wird die Zahl polnischer Arbeitnehmer in
Deutschland auf dem derzeitigen Niveau zwischen 350 000 und 400 000
bleiben. Es handele sich dabei vor allem um gering qualifizierte,
ältere Menschen, die aus traditionellen Auswanderungsgebieten in
Westpolen und Oberschlesien stammten, meinte der Berater des
polnischen Regierungschefs Donald Tusk. Er rechnet mit maximal
600 000 Migranten.

Er erwarte nach dem 1. Mai keine Revolution, sagte der Chef der
polnischen Dienstleistungsbetriebe in Deutschland, Julian Korman.
Arbeitnehmer, die bisher illegal gearbeitet hätten, würden nun ihren
Status legalisieren. Polnische Spitzenkräfte werden den Studien der
Wirtschaftswissenschaftler zufolge auch künftig Großbritannien und
die USA vorziehen.

Die Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes dürften vor allem die
schon hier lebenden Migranten zu spüren bekommen. «Sie sind die
Verlierer», sagte der Migrationsexperte Herbert Brücker der
Wochenzeitung «die Zeit». Die neuen Zuwanderer würden vor allem
ihnen am Arbeitsmarkt Konkurrenz machen, sagte der Bamberger
Wissenschaftler. Einwanderer und Einheimische stünden selten im
Wettbewerb.

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