Schuldenkrise: Höheres Staatsdefizit in Griechenland und Portugal Von Marion Trimborn, dpa

26.04.2011 17:06

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Griechenland und
Portugal stehen finanziell noch schlechter da als bekannt. Das gibt
der Debatte um eine Umschuldung Griechenlands neue Nahrung.

Luxemburg/Athen (dpa) - Die finanzielle Lage der beiden
Schuldensünder Griechenland und Portugal ist noch ernster als
gedacht. Die Europäische Statistikbehörde Eurostat revidierte die
Haushaltsdefizite beider Euro-Länder weit über die nationalen Daten
hinaus nach oben.

Nach neuesten Zahlen vom Dienstag lag 2010 in Griechenland der
Fehlbetrag im Haushalt bei 10,5 statt 9,6 Prozent vom
Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das Defizit Portugals belief sich auf
9,1 statt 8,6 Prozent. Erlaubt sind nach dem Maastricht-Vertrag
höchstens drei Prozent. Portugal war vor drei Wochen unter den
Euro-Rettungsschirm geschlüpft und hatte um Milliardenkredite
gebeten.

Die schlechten Zahlen dürften die Diskussion über eine mögliche
Umschuldung des pleitebedrohten Griechenland befeuern. Vor einem
Jahr hatten die Europäer und der Internationale Währungsfonds IWF
ein Hilfspaket von 110 Milliarden Euro geschnürt, um Athen vor dem
Staatsbankrott zu retten.

Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen
Stark, warnte vor den Folgen eines solchen Schuldenschnitts. Wenn es
dazu komme, könne dies für die Banken, die griechische
Staatsanleihen in ihrem Portfolio hätten, verheerend sein, zitierte
ihn das «Handelsblatt» in seiner Online-Ausgabe unter Berufung auf
Aussagen im ZDF. «Im schlimmsten Fall könnte die Umschuldung eines
Mitgliedslandes die Auswirkungen der Lehman-Pleite in den Schatten
stellen», sagte Stark dem Sender.

Das griechische Finanzministerium führte das höhere Staatsdefizit
vor allem auf den Einbruch der griechischen Wirtschaft zurück. Nach
Angaben des Statistischen Amtes (ELSTAT) war die Wirtschaftsleistung
im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent geschrumpft, die Steuereinnahmen
sanken. Die Talfahrt dauerte auch in den ersten drei Monaten des
laufenden Jahres an. Laut Eurostat schlugen die aktualisierten Daten
über die Verbindlichkeiten der Sozialversicherung negativ zu Buche.

An den Märkten und bei Volkswirten lösten die Daten Unbehagen
aus. «Die heutigen Zahlen zeigen, dass der Weg zu einer nachhaltigen
Stabilisierung der griechischen Staatsfinanzen noch sehr weit ist»,
schrieben Volkswirte der Commerzbank. Zwar habe Athen die
Defizitquote im vergangenen Jahr gegenüber 2009 um knapp fünf
Prozentpunkte von 15,4 auf 10,5 Prozent gedrückt. «Viele werden aber
daran zweifeln, dass ähnliche Fortschritte in den kommenden Jahren
möglich sein werden.»

Deutschlands Banken sorgten sich dagegen momentan eher um
portugiesische, irische und griechische Geldhäuser als um einen
Ausfall der Staatsanleihen in den Problemländern, schreibt der
«Economist» auf seiner Webseite: Die dortigen Banken schuldeten den
deutschen Geldhäusern rund zweimal so viel Geld wie die Regierungen.

In Portugal loten derzeit Vertreter von IWF und EU den
Finanzbedarf des Landes aus. Die Rede ist von rund 80 Milliarden
Euro. Die Abweichung der neuen Daten erklärten die Experten damit,
dass Unternehmen, die dem Staat gehören, bei der neuen Berechnung in
den Haushalt einbezogen wurden. Dies habe auch die Staatsschulden
nach oben getrieben, die sich 2010 auf 93 Prozent des
portugiesischen BIP beliefen - etwa zehn Prozentpunkte höher als
jüngst angenommen.

Die höchsten öffentlichen Defizite gemessen an der
Wirtschaftsleistung meldete für 2010 Irland mit 32,4 Prozent. Das
Land leidet unter einer Bankenkrise und musste im November 2010
unter den Euro-Rettungsschirm flüchten. Irland erhält 85 Milliarden
Euro Hilfe. Auf Platz zwei folgte Griechenland (10,5 Prozent
Defizit), danach Großbritannien mit 10,4 Prozent, Spanien (9,2
Prozent) und Portugal (9,1 Prozent). Deutschland lag mit 3,3 Prozent
knapp über dem erlaubten Richtwert von drei Prozent. Der Schnitt
aller Euro-Länder betrug 6,0 Prozent.

Von allen EU-Ländern stand Griechenland 2010 auch beim
öffentlichen Schuldenstand gemessen am BIP am schlechtesten da. Mit
142,8 Prozent war Athen absoluter Spitzenreiter - erlaubt sind 60
Prozent. Danach folgten Italien (119 Prozent), Belgien (96,8
Prozent), Irland (96,2 Prozent) und Portugal (93 Prozent).
Deutschland folgte mit 83,2 Prozent.

Das griechische Finanzministerium erklärte, Griechenland bleibe
auf Kurs bei seinem Reform- und Sparprogramm. Nach Einschätzung der
griechischen Presse muss Athen in den kommenden Monaten knapp drei
Milliarden Euro zusätzlich einsparen. Der Sprecher von
EU-Währungskommissar Olli Rehn lobte in Brüssel die Sparziele
Athens: «Es gibt eine Reihe an Initiativen, die die Athener
Regierung ergriffen hat, um alles Nötige zu tun, damit sie gemeinsam
mit den Partnern die Sache in den Griff bekommt.»

Schon mehrfach hat Eurostat die Zahlen für Griechenland nach oben
revidiert. Das Land hatte zudem mit gefälschten Statistiken
Schlagzeilen gemacht. Dieses Problem sei inzwischen aus dem Weg
geräumt, sagte der Sprecher von Rehn. «Seit November 2010 sind die
Daten Griechenlands zu 100 Prozent vertrauenswürdig.»

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