EuGH verbietet Italien harten Kurs gegen illegale Flüchtlinge

28.04.2011 14:39

Immer wieder kritisieren Menschenrechtsorganisationen Italien wegen
des harten Umgangs mit illegalen Flüchtlingen. Nun entschied der
Europäische Gerichtshof (EuGH) gegen das Land. Rom protestiert.

Luxemburg/Rom (dpa) - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat dem
harten Kurs Italiens im Umgang mit illegalen Flüchtlingen einen
Riegel vorgeschoben. Italien habe nicht das Recht, illegale
Einwanderer in Haft zu nehmen, wenn diese sich der Ausweisung
entziehen und einfach im Land bleiben. Das entschieden die Richter in
einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil (Rechtssache C-61/11).
Die italienische Regierung kritisierte das Urteil als unbefriedigend.

«Erstens ist auch in anderen europäischen Ländern eine Haftstrafe

für illegale Einwanderung vorgesehen, und diese werden nicht
verurteilt, und zweitens riskiert diese europäische Richtlinie,
Ausweisungen unmöglich zu machen», sagte der italienische
Innenminister Roberto Maroni. Die Abschiebung werde so «in eine
schlichte Aufforderung verwandelt, Italien innerhalb einer Woche zu
verlassen». Dies mache eine effiziente Einwanderungspolitik völllig
wirkungslos. Er werde in den kommenden Tagen die möglichen Folgen
des Urteils prüfen und eventuelle Gegenmaßnahmen überdenken,
erklärte Maroni.

Dem Urteil zufolge widerspricht eine Gefängnisstrafe den Zielen
der europäischen Politik, die illegale Migranten aus
außereuropäischen Ländern zwar in ihre Staaten zurückbringen, dabei

aber deren Grundrechte achten wolle. «Eine strafrechtliche Sanktion,
wie sie die italienischen Rechtsvorschriften vorsehen, droht die
Verwirklichung dieses Ziels zu gefährden», urteilte das oberste
europäische Gericht.

Italien müsse das mildere europäische Recht, das zu den
gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedsstaaten gehöre,
berücksichtigen. Rom habe die EU-Richtlinie über die Rückführung
illegaler Einwanderer nicht korrekt umgesetzt.

Im vorliegenden Fall ging es um einen Algerier, der illegal nach
Italien gekommen war. 2004 wurde er ausgewiesen, blieb aber im Land.
Im Jahr 2010 entschieden die Behörden dann, dass der Mann binnen fünf
Tagen das Land verlassen müsse. Da er diese Aufforderung ignorierte,
verurteilte ihn ein Gericht zu einem Jahr Gefängnis. Da der Algerier
derzeit in Haft sitzt, entschied der Gerichtshof per Eilverfahren.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren Italien immer wieder für
den harten Umgang mit illegalen Flüchtlingen. Für Migranten aus
Nordafrika, die über das Mittelmeer kommen, ist Italien das
Eingangstor nach Europa. Allein seit dem Ausbruch der Unruhen in
Tunesien und Libyen im Januar sind knapp 25 000 Flüchtlinge vor
allem über das Mittelmeer nach Italien gekommen, darunter vor allem
tunesische Wirtschaftsmigranten auf der Suche nach Arbeit.

# dpa-Notizblock

## Redaktioneller Service
- Rechtssache C-61/11

## Internet
- [Urteil EuGH](http://dpaq.de/uRpGv)
- [Richtlinie2008/115/EG](http://dpaq.de/W7Xv5)
- [Italienisches Innenministerium](www.interno.it)

## Orte
- [Europäischer Gerichtshof](Rue du Fort Niedergrünewald, Luxemburg)
- [Italienisches Innenministerium](00184 Rom, Italien)