EFSF-Abstimmung später - Merkel sagt Russland-Reise ab

25.08.2011 17:46

Der Unmut in der Koalition über die Euro-Rettungshilfen ist groß.
Schwarz-Gelb könnte jetzt mehr Zeit bekommen, um die eigene Mehrheit
zu sichern. Die Kanzlerin gibt sich nach Kritik von Kohl und Wulff
unbeirrt. Eine Russland-Reise sagt sie wegen der Euro-Debatte ab.

Berlin (dpa) - Im Streit um die Reform des Euro-Rettungsschirms
bekommen Bundestag und Bundesrat möglicherweise etwas mehr Zeit für
ihre Beratungen. Nach Angaben aus Parlamentskreisen vom Donnerstag
wird angestrebt, die endgültige Abstimmung von Parlament und
Länderkammer um eine Woche auf Ende September zu verschieben. Wegen
der Euro-Debatte sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine
Russland-Reise ab. Kritik von Altkanzler Helmut Kohl am
Krisenmanagement ihrer schwarz-gelben Regierung wies sie zurück.

Bisher war geplant, dass der Bundestag am 22. oder 23. September
über die neuen Instrumente des Euro-Rettungsfonds EFSF endgültig
abstimmt und der Bundesrat am 23. September. Hintergrund der
möglichen Verschiebung ist nach Darstellung der Koalition der
zeitgleiche Papst-Besuch in Berlin. So bekäme Schwarz-Gelb mehr Zeit,
um auf die Kritiker in den eigenen Reihen zuzugehen. Union und FDP
wollen die EFSF-Reform trotz Kritik mit einer eigenen Mehrheit
beschließen.

Die Euro-Schuldenkrise wirbelt auch Merkels außenpolitischen
Terminkalender durcheinander: Ihre für den 7. und 8. September
geplante Russland-Reise wurde abgesagt. Am 7. September entscheidet
das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Beteiligungsrechte
des Parlaments bei den Euro-Rettungshilfen. Am selben Tag will Merkel
in der Generaldebatte des Bundestages ihr Krisenmanagement und die
Regierungspolitik verteidigen.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, als der Russland-Termin
zugesagt worden sei, sei noch nicht bekanntgewesen, dass am 8.
September die deutschen Regeln zur Reform des Euro-Rettungsschirms in
den Bundestag eingebracht würden. «Die Bedeutung des Themas gebietet
die Anwesenheit der Bundeskanzlerin.»

Kritik von Altkanzler Kohl am außenpolitischen Kurs ihrer
Regierung wies Merkel zurück. Auch die Vorwürfe von Bundespräsident
Christian Wulff gegen Politiker und die Europäische Zentralbank
(EZB) in der Euro-Krise machte sich Merkel nicht zu eigen.
Trostpflaster in schwieriger Zeit: Das US-Magazin «Forbes» kürte sie

zur mächtigsten Frau der Welt.

Zu Kohls Kritik sagte Merkel der «Süddeutschen Zeitung»
(Donnerstag): «Jede Zeit hat ihre spezifischen Herausforderungen»,
und fügte hinzu: «Die christlich-liberale Bundesregierung arbeitet
daran, die Herausforderungen unserer Zeit zusammen mit unseren
Partnern in Europa und der Welt entschlossen zu meistern.»

Mit Blick auf Wulffs Kritik sagte Merkel: «Ich werde die EZB nicht
kritisieren, weil sie ihre Entscheidungen unabhängig fällt». Die
Zentralbank habe alle ihre Entscheidungen über Ankäufe von Anleihen
selbstständig getroffen, sagte sie dem Sender NDR Info. Wulff hatte
kritisiert, dass die EZB zur Marktberuhigung massiv Anleihen von
Krisenländern gekauft hatte.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannte Wulffs Kritik
unangebracht. «Wir sind alle gut beraten, wenn wir die Unabhängigkeit
der Notenbank respektieren und ihre Entscheidungen akzeptieren und
sie nicht kritisieren», sagte er auf einer Konferenz der «Zeit» in
Frankfurt am Main. Auch Alt-Kanzler Helmut Schmidt verteidigte das
Vorgehen der Währungshüter.

Die Reform des EFSF war am 21. Juli von den Staats- und
Regierungschefs beschlossen worden. Der Rettungsfonds soll flexibler
werden. So soll er künftig auch Anleihen angeschlagener Euro-Länder
aufkaufen können. Zudem soll er über Kredite bei der Stabilisierung
von Banken unterstützend oder präventiv eingreifen können.

In den Koalitionsreihen gibt es aber erhebliche Bedenken, dass mit
der EFSF-Reform die Rechte des Bundestags beschränkt werden könnten.
Abgeordnete von Union und FDP fürchten, dass die Bundesregierung beim
erweiterten EFSF eine Art Generalvollmacht für künftige Nothilfen
sichern will. Teils wird gefordert, dass der Bundestag jede neue
Maßnahme des Rettungsfonds billigen müsse.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle besteht auf mehr Kontrollrechten
für den Bundestag. «Der Parlamentsvorbehalt ist für die FDP
unabdingbar. Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Parlaments,
das lassen wir nicht aushebeln», sagte Brüderle Focus Online».

Derweil hält der Streit um Sonderabsprachen in der Eurozone zur
Absicherung der neuen Milliarden-Hilfskredite an Griechenland an.
Finnland beharrt auf zusätzlichen Garantien für seinen Beitrag an dem
109 Milliarden Euro umfassenden Rettungspaket. Das stellte
Finanzministerin Jutta Urpilainen in Helsinki klar. Deutschland lehnt
wie weitere Euro-Länder Extra-Lösungen zulasten anderer ab.

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