(Gesamtzusammenfassung - 1800) EU erstmals einig über Wirtschaftssanktionen gegen Moskau (Foto - aktuell)

25.07.2014 17:59

Nach dem Absturz von MH17 sind noch nicht alle Todesopfer gefunden.
Immer ungeduldiger fordert die internationale Gemeinschaft Zugang zur
Unglücksstelle. Die EU erhöht den Druck auf Russland, damit es den

ostukrainischen Rebellen die Unterstützung entzieht.

Brüssel/Den Haag/Kiew (dpa) - In der Ukraine-Krise sind sich die 28
EU-Regierungen erstmals einig über Wirtschaftssanktionen gegen
Russland. Nach Angaben von Diplomaten verständigten sich die
EU-Botschafter am Freitag in Brüssel im Grundsatz darauf, Russland
den Zugang zu EU-Finanzmärkten zu erschweren. Zu dem Paket gehört
auch ein Verbot künftiger Waffenexporte. Außerdem will die EU
keinerlei Hochtechnologieprodukte mehr liefern, Spezialanlagen zur
Öl- und Gasförderung nur noch beschränkt.

Acht Tage nach dem Flugzeugabsturz der malaysischen Boeing 777-200
mit 298 Menschen in der umkämpften Ostukraine bemühte sich die
internationale Gemeinschaft weiter um ungehinderten Zugang zur
Unglücksstelle. Die Niederlande schlossen sogar einen bewaffneten
Militäreinsatz nicht aus, um die Untersuchung zu sichern. Dafür sei
aber die Zustimmung sowohl der Regierung in Kiew als auch der
prorussischen Separatisten nötig, sagte Ministerpräsident Mark Rutte
in Den Haag. Ermittler entdeckten an der Absturzstelle ein neues
großes Wrackteil sowie weitere Leichen.

Bisher hatte die EU lediglich Einreiseverbote und Kontensperrungen
gegen 87 Personen sowie 18 Organisationen und Unternehmen verhängt.
Mit den ersten Wirtschaftssanktionen soll Moskau dazu veranlasst
werden, die Separatisten in der Ostukraine nicht länger zu
unterstützen. Die EU-Kommission soll bis Montag Verordnungstexte für
die Umsetzung der Sanktionen vorlegen. Diese sollen dann am Dienstag
von den EU-Botschaftern offiziell gebilligt werden, sofern Russland
nicht in letzter Minute Zeichen für ein Einlenken gibt.

Da die Staats- und Regierungschefs sich im März vorbehalten hatten,
selbst über Wirtschaftssanktionen zu entscheiden, ist noch unklar, ob
und wann ein EU-Sondergipfel einberufen wird. Der nächste EU-Gipfel
ist für den 30. August geplant. Möglicherweise werde EU-Ratspräsident

Herman Van Rompuy die Regierungschefs schriftlich um Zustimmung
bitten.

Russland reagierte ungeachtet zunehmender wirtschaftlicher Probleme
und eines miesen Investitionsklimas gelassen. «Es ist eine falsche
Logik zu denken, dass die Sanktionen - in diesem Fall - Russland dazu
bringen können, seine Politik zu ändern», sagte Russlands Botschafter

bei der EU, Wladimir Tschischow.

Die Niederlande und Australien flogen bereits den dritten Tag in
Folge geborgene Leichen von Charkow nach Eindhoven aus. Bis Freitag
kamen insgesamt 189 Särge in den Niederlanden an. Die Niederlande
rechnen mit mindestens einem weiteren Flug an diesem Samstag.

Nach dem Rücktritt der Regierung in Kiew vom Donnerstag übernahm
Vizeministerpräsident Wladimir Groisman kommissarisch die Leitung des
Kabinetts. Damit steuert die Ukraine mitten in ihrer Krise auf eine
Neuwahl des Parlaments zu, die am 26. Oktober stattfinden könnte. Der
Kampf gegen die prorussischen Separatisten im Osten gehe ungeachtet
des Rücktritts weiter, sagte Andrej Lyssenko vom Sicherheitsrat.

Über einen möglichen Militäreinsatz werde die Regierung am Wochenende

entscheiden, sagte Rutte. Am Vortag hatte er gefordert, eine
internationale Polizeitruppe solle die Absturzstelle sichern.
Australien hat bereits 90 Polizisten nach London entsandt und will
weitere 100 schicken, die für einen Einsatz infrage kämen. Rund um
die Absturzstelle gilt nach Angaben Ruttes eine zerbrechliche
Waffenruhe. Der Kontakt zu den Rebellen werde über die Organisation
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gehalten.

Die Wrackteile an der Absturzstelle deuteten auf einen Raketentreffer
hin, berichtete ein ZDF-Korrespondent vor Ort. Die Außenhaut des
Rumpfs weise Löcher von drei bis fünf Zentimeter Durchmesser auf, die
von außen nach innen gehen. «Das ist von Experten für Schrapnell
gehalten worden», sagte er der dpa. Die Maschine ist mutmaßlich von
einer Boden-Luft-Flugabwehrrakete getroffen worden. Diese Waffen
zerstören ihr Ziel mit Schrapnell, also kleinen Metallteilen.

Der Journalist sah auch das fünf bis sechs Meter lange Rumpfteil, das
Vertreter Australiens sowie Beobachter der OSZE am Vortag in einem
dichten Waldstück entdeckt hatten. Es seien am Freitag keine Leichen
mehr darin gewesen, sagte er. «Man sieht Sitze, man sieht Gurte
runterbaumeln, Gepäckaufhängungen.»

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte den internationalen
Ermittlern die Übergabe von Satellitenbildern zu, auf denen der
Absturz der Passagiermaschine genau dokumentiert sein soll. Das
russische Luftfahrtamt forderte die Ukraine auf, Beweise für einen
angeblichen Abschuss vorzulegen. Die Führung in Kiew habe auch nichts
unternommen, um Splitter einer möglichen Rakete zu finden, sagte
Behördenchef Alexander Neradko in Moskau.