Druck auf Moskau wächst massiv - Ukraine erhebt Kriegssteuer

31.07.2014 18:02

Der Streit zwischen der Europäischen Union und Russland um die
Ukraine wird immer schärfer. Und auch auf juristischer Ebene gerät
Moskau weiter in Bedrängnis. Wird das alles Wirkung zeigen?

Moskau/Kiew/Brüssel (dpa) - Der Druck auf Moskau wächst weiter -
nicht nur im Konflikt um die Ukraine. Die 28 EU-Regierungen
beschlossen am Donnerstag die Wirtschaftssanktionen der Europäischen
Union gegen Moskau offiziell. Zudem sieht sich Moskau nun binnen
weniger Tage zum zweiten Mal im Zusammenhang mit der Zerschlagung des
früheren russischen Ölkonzerns Yukos mit Schadenersatzforderungen in
Milliardenhöhe konfrontiert. Die benachbarte Ukraine griff am
Donnerstag zu drastischen Maßnahmen: Die Bürger werden nun für den

blutigen Konflikt im Osten des Landes zur Kasse gebeten. Nach langem
Zögern beschloss das Parlament in Kiew eine umstrittene Kriegssteuer.

In der weißrussischen Hauptstadt Minsk berieten Vertreter der
prowestlichen ukrainischen Führung sowie Separatisten unter
Vermittlung der OSZE über die Krise im Land. An den Gesprächen nahm
auch der Moskauer Diplomat Michail Surabow teil, wie Medien in der
autoritären Ex-Sowjetrepublik berichteten. Unklar war zunächst, ob
die prorussischen Separatisten einen Vertreter entsandt hatten oder
per Videokonferenz zugeschaltet waren. Die Teilnehmer hätten sich
darauf verständigt, den Ermittlern einen sicheren Korridor zum
Absturzort von Flug MH17 zu gewährleisten, hieß es.

Die Ukraine gestattete Australien und den Niederlanden, bewaffnete
Kräfte an den Absturzort zu entsenden. Beide Länder dürften insgesamt

950 Soldaten und Ermittler zeitweise in Grabowo stationieren. Zwei
Wochen nach dem Absturz sind noch immer nicht alle Opfer geborgen.
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte bekräftigte nach
Gesprächen mit seinem malaysischen Amtskollegen Najib Razak, dass die
Bergung der restlichen Opfer absolute Priorität habe.

Nach tagelangen vergeblichen Versuchen erreichten Mitarbeiter der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) gemeinsam mit
einigen niederländischen und australischen Experten das
Absturzgebiet des malaysischen Passagierflugzeugs. Dort kam es nach
Angaben der russischen Staatsagentur Ria Nowosti am Donnerstag erneut
zu Gefechten zwischen der Armee und den Separatisten.

Mit der neuen Kriegssteuer will die Ukraine die umstrittene
«Anti-Terror-Operation» im Osten des Landes finanzieren. Die Abgabe
von 1,5 Prozent auf alle steuerpflichtigen Privateinkommen im Land
soll bis zum 1. Januar 2015 gelten. Noch vor einer Woche lehnten die
Abgeordneten neue Steuergesetze zur Finanzierung des Bürgerkrieges
ab. Deshalb erklärte Regierungschef Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt.

Die Finanzierung des Bürgerkrieges kostet das klamme Land aktuell
umgerechnet rund 4,5 Millionen Euro am Tag. Die Freigabe frischen
Geldes für die Militäroperation hatte Jazenjuk als Bedingung für
seinen Verbleib im Amt genannt. Das Parlament sprach ihm nun das
Vertrauen aus.

Auch das benachbarte Russland dürfte der Ukraine-Konflikt teuer zu
stehen kommen. Mit den Strafmaßnahmen, die die EU am Donnerstag in
einem schriftlichen Verfahren billigte, soll Russlands Präsident
Wladimir Putin dazu gebracht werden, die moskautreuen Separatisten in
der Ostukraine nicht länger zu unterstützen. Kernstück der
Wirtschaftssanktionen ist eine Behinderung des Zugangs fünf großer
russischer Banken zu den für Moskau wichtigen Kapitalmärkten der EU.

Zu den neuen Sanktionen gehören auch ein Waffenembargo, ein
Ausfuhrverbot für zivil und militärisch nutzbare Güter an das
russische Militär und ein Lieferstopp für Spezialgeräte zur
Ölförderung. Die ersten Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union

gegen Russland in der Ukraine-Krise waren bereits am Dienstag von den
EU-Botschaftern vereinbart worden. Sie treten am Freitag in Kraft.

Teuer werden könnte für Moskau auch die Zerschlagung des früheren
Yukos-Konzerns Anfang des Jahrtausends. Der russische Staat und
Gerichte hatten dem früheren Yukos-Eigner und einst reichsten
russischen Ölmagnaten Michail Chodorkowski sowie mehreren seiner
Geschäftspartner schwere Wirtschaftsstraftaten vorgeworfen.

Am Donnerstag wurde Russland zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage
wegen seines Vorgehens gegen Yukos zu einer Milliardenentschädigung
verurteilt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in
Straßburg sprach den früheren Aktionären eine Entschädigung in Hö
he
von knapp 1,9 Milliarden Euro zu. In Straßburg wurden Fehler im
russischen Steuerverfahren gegen Yukos geahndet.

Erst am Montag hatte der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag
Russland eine Rekordentschädigung von gut 37 Milliarden Euro
abverlangt. Die Auflösung von Yukos sei politisch motiviert gewesen,
hieß es in dem Schiedsspruch. Im Gegensatz dazu sehen die Straßburger
Richter aber keinen politischen Zusammenhang hinter der
Yukos-Zerschlagung. Das russische Justizministerium kritisierte das
Urteil als «ungerecht» und Beispiel für eine «parteiische
Herangehensweise». Russland will beide Urteile juristisch anfechten.

Für Aufmerksamkeit sorgte in Moskau auch die Wiederaufnahme der
Untersuchung des aufsehenerregenden Giftmordes an dem Kreml-Kritiker
Alexander Litwinenko in London. Das Verfahren, über das das russische
Staatsfernsehen am Donnerstag berichtete, soll vor allem die Rolle
Russlands in dem Fall beleuchten. Der ehemalige KGB-Agent war 2006
mit radioaktivem Polonium 210 vergiftet worden. Zuvor hatte er in
einem Londoner Luxushotel mit zwei ehemaligen Kollegen Tee getrunken.