EU-Kommission im Amt bestätigt - Juncker will Wirtschaft ankurbeln

22.10.2014 18:51

Die Zitterpartie ist zu Ende. Der neue EU-Kommissionspräsident
Juncker kann mit seiner Mannschaft an die Arbeit gehen. Im
Europaparlament gibt es aber weiter kritische Stimmen.

Straßburg (dpa) - Die neue EU-Kommission kann am 1. November an den
Start gehen. Das Europaparlament stimmte am Mittwoch mit großer
Mehrheit für das Team des neuen Kommissionspräsidenten Jean-Claude
Juncker. Dazu gehört der bisherige Energiekommissar Günther Oettinger
aus Deutschland, der sich künftig um die digitale Wirtschaft kümmern
soll.

423 Parlamentarier stimmten mit Ja, 209 dagegen, 67 enthielten sich
der Stimme. Die Grünen lehnten die neue Kommission ab, weil sie ihrer
Ansicht nach falsche Schwerpunkte setzt. «Nachhaltigkeit, Umwelt- und
Klimaschutz scheinen in dieser Kommission nur eine untergeordnete
Rolle zu spielen», sagte ihre Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms. Die
drei FDP-Abgeordneten stimmten ebenfalls gegen die Kommission, weil
sie eine «wirtschafts- und finanzpolitische Irrfahrt» befürchten.
«Der Stabilitätspakt darf nicht erneut aufgeweicht werden», sagte der

Vorsitzende der FDP im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff.

In seiner Rede zur Abstimmung kündigte Juncker an, noch vor
Weihnachten sein 300 Milliarden Euro schweres Investitionspaket zum
Anschub der Konjunktur vorzustellen. Es bestehe Eile.
«Volkswirtschaften, in denen nicht investiert wird, können nicht
wachsen. Volkswirtschaften, die nicht wachsen, können keine
Beschäftigung sicherstellen», sagte der Luxemburger.

Ohne Details zu nennen, machte Juncker deutlich, dass er von der
Wirtschaft Engagement verlangen wird. Sie trage wie der Staat
Verantwortung für Arbeitsplätze. «Wir müssen Sorge dafür tragen,
dass
durch intelligentes Einbringen öffentlicher Geldmittel die
Privatinitiative angekurbelt wird», erklärte Juncker. Er betonte
dabei den digitalen Binnenmarkt. «Der Kollege Oettinger wird sich um
dieses wichtige Sachgebiet kümmern». Die Investitionen in die
digitale Agenda dürften seiner Ansicht nach einen Wachstumsschub von
250 Milliarden Euro in den nächsten Jahren zur Folge haben.

Die Debatte um den europäischen Stabilitätspakt bezeichnete er als
überflüssig. «Die Regeln werden nicht geändert.» Die Spielräume
für
Flexibilität müssten allerdings genutzt werde.

Außer Juncker, den das Parlament bereits im Juli bestätigt hat,
sitzen 27 Kommissare in dem Kollegium, darunter neun Frauen. «Das ist
weiter lächerlich», kritisierte der Luxemburger. Die Kommission
schlägt EU-Gesetze vor und überwacht deren Einhaltung. Jedes
EU-Mitgliedsland entsendet einen Kommissar. Die letzten beiden
Kommissionskandidaten hatten erst am Montag die Hürde der Anhörung im
Parlament genommen. Der Slowake Maros Sefcovic und die Slowenin
Violeta Bulc hatten sich den Fragen der Parlamentarier gestellt.

In die Kritik gerieten Währungskommissar Pierre Moscovici aus
Frankreich und der britische Finanzmarktkommissar Jonathan Hill. Für
Liberale und Grüne sind beide eine Fehlbesetzung. Juncker habe nun
gleich zweimal den Bock zum Gärtner gemacht, sagte Lambsdorff. In
einem Tagesthemen-Interview (Mittwoch) sagte Juncker dazu: «Ein Brite
kann den Briten besser erklären, was in Sachen Finanzmarktordnung
passiert, ein Franzose kann den Franzosen besser erklären was in
Sachen konsolidieren, sanieren und sparen gemacht werden muss. Das
geht schon in Ordnung, das ist wohlüberlegt.»

Noch unter der alten EU-Kommission wird derzeit nach Informationen
des «Handelsblatt» erwogen, die in der Öffentlichkeit stark
umstrittenen Investor-Staats-Schiedsverfahren (ISDS) aus den
Verhandlungen mit den USA über ein Freihandels- und
Investitionsabkommen (TTIP) herauszunehmen. «Wenn es uns gelänge, die
beschriebenen Nachteile zu verhindern oder zu parieren, wäre dies die
stärkste Maßnahme, der Anti-TTIP-Kampagne zu begegnen, eine neue
Kommunikation zu starten und zu zeigen, dass die Kommission auf die
Öffentlichkeit eingeht», schreiben Mitarbeiter der Generaldirektion
Handel laut der Zeitung in einem internen Papier.

«Ich werde es nicht hinnehmen, dass die Zuständigkeit der Gerichte in
den Mitgliedstaaten durch Sonderregelungen für Konflikte zwischen
einem Investor und einem Staat beschnitten wird», sagte Juncker dazu
am Mittwoch vor dem Parlament. Ohne die Zustimmung seines
sozialdemokratischen Stellvertreters Frans Timmermans werde es im
TTIP keine Investorenschutzklausel geben. Unter anderem SPD-Politiker
fordern, kritische Bereiche wie diese aus dem Paket zu streichen.
Kommissionsexperten warnen allerdings, dass sich ein solcher Schritt
negativ auf die europäische Verhandlungsposition auswirken könnte.