Griechenland-Rettung - Kein Durchbruch bei Verhandlungen in Brüssel

29.03.2015 15:24

«Viel zu vage und nicht glaubwürdig» - so urteilten die Geldgeber
über die griechische Reformliste. Die Griechen präsentierten ihre
Vorschläge auf mobilen Geräten - und auf Griechisch.

Brüssel/Athen (dpa) - Die Rettung Griechenlands vor der Staatspleite
bleibt eine Zitterpartie. Auch dreitägige Verhandlungen über eine
Reformliste, die Athen rund drei Milliarden Euro neue Einnahmen
bringen sollen, brachten am Wochenende keinen Durchbruch. Die
Geldgeber werteten die griechischen Vorschläge als unzureichend und
verlangen Nachbesserungen.

Neue Reformen sind Voraussetzung dafür, dass die Geldgeber von
Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem
Währungsfonds (IWF) die bislang blockierten 7,2 Milliarden Euro
Finanzhilfen freigeben. Athen braucht das Geld dringend, weil seine
Kassen schon Mitte April leer sein könnten.

Es gebe keine brauchbare Verhandlungsgrundlage, verlautete am Sonntag
aus Kreisen der Teilnehmer in Brüssel. Statt der versprochenen
Reformliste habe die griechische Delegation lediglich Dokumente in
elektronischer Form auf mobilen Geräten präsentiert - und dann auch
noch auf Griechisch. Die Regierungsvertreter hätten die Vorschläge
mündlich vorgetragen. Auch am dritten Tag der Gespräche habe es quasi
keine Fortschritte gegeben. «Die Liste ist viel zu vage, nicht
glaubwürdig und nicht überprüfbar», sagte ein EU-Diplomat.

Die EU-Kommission rechnet nun erst in den kommenden Tagen mit einer
engdültigen Reformliste der griechischen Regierung. «Wir erwarten die
Liste bis Anfang der Woche», sagte der für Währung zuständige
Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, der «Welt»
(Online Sonntag, Print Montag). Er kritisierte: «Griechenland hat
über Jahre hinweg Reformen hinausgeschoben.»

Seit Freitagabend hatten Vertreter Griechenlands mit Experten der
Geldgeber in Brüssel verhandelt. Nur falls die Geldgeber grünes Licht
geben, könnten die Euro-Finanzminister die blockierten Hilfen
freigeben. Das für diese Woche geplante Treffen der Eurogruppe wird
laut EU-Diplomaten aber wohl frühestens nach Ostern stattfinden
können. Die Gespräche sollen in den kommenden Tagen weitergehen.

Griechenland stehen aus verschiedenen Quellen noch 7,2 Milliarden
Euro zu. Dem Land droht die Zahlungsunfähigkeit, es ist vom
Kapitalmarkt abgeschnitten und die Steuereinnahmen brachen zuletzt
ein. «Akrobatik mit leeren Kassen», lautete der Tenor in der Athener
Traditionszeitung «To Vima».

Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» braucht das
pleitebedrohte Land wegen des Reformstopps noch mehr Hilfsgelder als
bislang angenommen. Experten rechnen laut Bericht mit einer
zusätzlichen Finanzierungslücke von 10 bis 20 Milliarden Euro.

Die aktuelle Reformliste mit rund 18 Maßnahmen soll Griechenland
mindestens drei Milliarden Euro einbringen. Dabei geht es vor allem
um den Kampf gegen Steuerhinterziehung, während Kürzungen von
Gehältern und Renten nicht dazu gehören sollen. Dem Vernehmen nach
geplant ist eine Erhöhung des Höchststeuersatzes auf bis 45 Prozent,
eine neue Immobiliensteuer, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für
Luxuswaren, der Kampf gegen Steuerhinterziehung durch die Verbindung
aller Registrierkassen mit dem Steueramt, Privatisierungen sowie die
Kontrolle aller Geldeinlagen von Griechen im Ausland.

Kurz vor Beginn der Verhandlungen hatte die Regierung von
Ministerpräsident Alexis Tsipras den Druck erhöht und mit
Zahlungsausfall gedroht. Tsipras forderte auch einen Schuldenschnitt.
Nötig sei eine «Änderung der Rückzahlungsbedingungen der Schulden
sowie deren Reduzierung», sagte er der Athener Sonntagszeitung «Real
News». Gemeint sind niedrigere Zinsen, spätere Fälligkeiten und ein
faktischer Verzicht der Geldgeber auf einen Teil ihrer Forderungen.

Unterdessen senkte die US-Ratingagentur Fitch ihre Einschätzung der
Kreditwürdigkeit des pleitebedrohten Euro-Landes Griechenland um zwei
Stufen auf «CCC». Schon zuvor waren griechische Anleihen den Experten
zufolge nur noch für Spekulanten geeignet («Ramsch»).

Die Griechen heben angesichts der schweren Finanzkrise immer mehr
Geld von ihren Konten ab. Die Einlagen sanken nach Bankenangaben auf
den niedrigsten Stand seit Ausbruch der Schuldenkrise, berichtete am
Samstag die konservative Zeitung «Kathimerini». Knapp 44 Prozent der
Griechen haben laut einer Umfrage Angst vor einem Austritt ihres
Landes aus dem Euroraum («Grexit»). Das ergab eine Befragung des
Meinungsforschungsinstituts der Universität von Thessaloniki, die die
Athener Zeitung «Kathimerini» am Sonntag veröffentlichte.

Griechenland ist auf Notkredite angewiesen, die die EZB regelmäßig
neu bewilligen muss. Griechenland kann die Staatspleite nach
Überzeugung von Ökonom Carsten Brzeski derzeit nur dank der
EZB-Hilfen verhindern. «Die EZB hält den Schlüssel für den Grexit i
n
der Hand», sagte der ING-Diba-Chefvolkswirt der Deutschen
Presse-Agentur in Frankfurt. Die EZB halte die Banken des Landes am
Leben, indem sie den Rahmen für Ela-Notkredite ständig erhöhe.

Unabhängig von der Reformliste geht das Tauziehen um 1,2 Milliarden
Euro Banken-Hilfsgeld weiter. Athen macht geltend, es habe zu viel
geparktes Hilfsgeld für die Bankenrettung an den Euro-Krisenfonds in
Luxemburg zurückgezahlt und verlangt Geld zurück.