Schäuble: Keine rasche Einigung mit Athen - Griechen heben Geld ab

29.05.2015 20:16

Die Zeit wird knapp, doch eine Lösung für das von der Pleite bedrohte
Griechenland zeichnet sich noch nicht ab. Die Krisendiplomatie ging
auch rund um den G7-Finanzgipfel weiter. Derweil heben die Griechen
weiter hohe Beträge von den Konten ab. Der Außenminister ist wütend.


Dresden/Athen (dpa) - Griechenland und seinen Geldgebern läuft im
Kampf gegen den drohenden Staatsbankrott die Zeit davon. Trotz
hektischer Krisendiplomatie auf Spitzenebene zeichnete sich eine
Woche vor dem nächsten Zahltag für Athen keine Einigung über weitere

Finanzhilfen ab. Das aktuelle Hilfsprogramm läuft zum 30. Juni aus.

«Die positiven Nachrichten aus Athen spiegeln sich noch nicht
vollständig im Gesprächsstand der Regierung in Athen mit den
Geldgebern wider», sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)
am Freitag in Dresden nach Beratungen der Finanzminister und
Notenbankchefs der sieben führenden westlichen Industriestaaten (G7).

Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis sagte im Interview
mit dem Radiosender Vima FM, sein Land habe mit den Geldgebern eine
weitere Annäherung erzielt. Er erwarte, daher dass sich beide Seiten
bald auf ein «umfassendes und gutes Übereinkommen» verständigen
würden, das eine Einigung in allen strittigen Punkten bringe.

Das von der Pleite bedrohte Land braucht dringend frisches Geld.
Trotz leerer Kassen muss Athen bis zum 5. Juni gut 300 Millionen Euro
an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Insgesamt
sind im Juni mehr als 1,55 Milliarden Euro beim IWF fällig.

Die wirtschaftliche Lage des Landes spitzte sich wieder zu: Zum
Jahresstart fiel Griechenland zurück in die Rezession. Das nationale
Statistikamt Elstat bestätigte seine erste Schätzung, wonach das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2015 um 0,2 Prozent
schrumpfte. Im Schlussquartal 2014 hatte es einen Rückgang von 0,4
Prozent gegeben. Bei zwei aufeinanderfolgenden Jahresvierteln mit
negativen Wachstumsraten sprechen Ökonomen von einer Rezession.

Unterdessen heben viele Griechen aufgrund der unsicheren Finanzlage
weiter große Mengen an Geld von ihren Bankkonten ab. Wie die Athener
Zentralbank am Freitag mitteilte, gingen die Einlagen der privaten
Haushalte und Unternehmen bei griechischen Geldinstituten allein im
April um 4,9 Milliarden auf 133,6 Milliarden Euro zurück.

Damit sanken die privaten Bankguthaben auf den niedrigsten Stand seit
mehr als zehn Jahren. Seit November 2014 wurden nach den Statistiken
der Zentralbank über 30 Milliarden Euro abgehoben. Der Trend dürfte
sich auch im Mai fortgesetzt haben. Mittlerweile liege der Gesamtwert
unter 130 Milliarden Euro, schrieb die Zeitung «Kathimerini».

Berichte über eine von den Geldgebern gesetzte Frist für eine
Einigung bis zum 4. Juni wurden nicht bestätigt. Nicht ausgeschlossen
wird jedoch, dass die Geldgeber angesichts der bisher geringen
Fortschritte Athen ein ultimatives Angebot für ein Kompromisspaket
vorlegen. Ohne verbindliche Reformzusagen der seit vier Monaten
amtierenden griechischen Links-Rechts-Regierung bleiben
internationale Hilfen von 7,2 Milliarden Euro weiter blockiert.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zeigte sich zuversichtlich,
dass ein Kompromiss gefunden wird. «Das ist ein sehr schwieriges
Thema, das in den nächsten Tagen und Wochen gelöst werden wird»,
sagte er in Tokio nach einem Gipfeltreffen der EU mit Japan. In einem
Gastbeitrag für den «Focus» mahnte der Chef des Euro-Rettungsfonds
ESM, Klaus Regling: «Verweigert sich die griechische Regierung dem
Reformprozess, spielt sie mit der Zukunft des Landes.» Das Risiko sei
dann groß, «dass die Opfer der Griechen umsonst gewesen» seien.

In Dresden war Griechenland kein offizielles Thema der G7-Beratungen.
Doch zu dem zweitägigen Finanzgipfel waren neben IWF-Chefin Christine
Lagarde auch EZB-Präsident Mario Draghi, Eurogruppen-Chef Jeroen
Dijsselbloem und EU-Währungskommissar Pierre Moscovici angereist.

Griechenlands Außenminister Nikos Kotzias äußerte scharfe Kritik am
Vorgehen der Geldgeber. «Was läuft, ist Druck», sagte er am
Freitagabend beim Philosophie-Festival Phil.Cologne in Köln. Dem Land
werde fortwährend gesagt, dass es die Bedingungen der EU erfüllen
müsse, nach dem Motto: «Wenn ihr jetzt nicht unterschreibt, dann seid
ihr tot.» Dies sorge für große Verunsicherung. «Die natürliche
Reaktion ist, dass die Leute ihr Geld von der Bank abheben.»