EU-Partner drohen Griechenland - Tausende harren in Nordsyrien aus

06.02.2016 17:38

Mehrere Länder drohen Griechenland mit neuen Grenzschutzprojekten.
Dies könnte weitere Probleme für das ohnehin gebeutelte Land
bedeuten. In Deutschland stiftet Vizekanzler Gabriel Verwirrung.

Amsterdam (dpa) - Mehrere Staaten Mitteleuropas erhöhen in der
Flüchtlingskrise den Druck auf Griechenland. Bei einem
EU-Außenministertreffen in Amsterdam drohten Staaten wie Österreich
mit neuen Grenzschutzprojekten, um den Zustrom von Flüchtlingen über
das südosteuropäische Land einzudämmen. Wie derzeit im Norden Syriens

könnten dann auch in Griechenland Zehntausende vorerst feststecken.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte erneut vor Grenzschließungen in
Europa und mahnte einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen an.

Die Türkei sagte derweil den vor den Kämpfen in Nordsyrien
Geflüchteten Hilfe zu. Allerdings blieb die Grenze nahe der Stadt
Asas Berichten zufolge zunächst geschlossen. In dem Gebiet hielten
sich nach UN-Angaben vom Freitag bis zu 30 000 Menschen auf.

Der Türkei kommt für Europa eine Schlüsselrolle in der
Flüchtlingskrise zu, denn es ist für Migranten das wichtigste
Transitland. Über die Türkei reisen sie nach Griechenland weiter in
den Schengenraum. Die Regierung in Ankara hatte Ende November
zugesagt, ihre Grenzen besser zu schützen. Im Gegenzug versprach die
EU mindestens drei Milliarden Euro für die Versorgung der mehr als
zwei Millionen Flüchtlinge in der Türkei. Zudem sollen die
EU-Beitrittsverhandlungen und die Gespräche zur visafreien Einreise
für Türken beschleunigt werden. Kritiker werfen der Türkei vor,
bislang hinter ihren Möglichkeiten zu bleiben.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich am Samstag

im RBB-Inforadio skeptisch zu einer völligen Visafreiheit. Er sprach
sich aber für gewisse Erleichterungen aus und betonte, er sei
grundsätzlich sehr offen für die Gespräche mit der türkischen
Regierung. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu betonte in
Amsterdam, schon jetzt kämen weniger Flüchtlinge über sein Land nach

Griechenland. Andere Informationen seien «Manipulationen in den
Medien etlicher europäischer Hauptstädte». Am Montag wollte Kanzlerin

Merkel zu Beratungen in die Türkei reisen.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz sagte in Amsterdam: «Wenn
wir keine Lösung an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland
zustande bringen, dann wird unsere einzige Möglichkeit sein, dass wir
mit Slowenien, mit Kroatien, mit Serbien, mit Mazedonien
kooperieren.» Am Freitag hatte er militärisch-polizeiliche Missionen
zum Beispiel in Mazedonien und Serbien vorgeschlagen. Sein
ungarischer Kollege Peter Szijjarto sagte: «Wenn Griechenland nicht
bereit oder nicht in der Lage ist, den Schengenraum zu schützen
(...), dann brauchen wir eine andere Verteidigungslinie.» Luxemburgs
Außenminister Jean Asselborn kritisierte ihn wegen der Verwendung des
Wortes «Verteidigungslinie». «Da denkt man an Gewalt», sagte er.
Europa dürfe sich in Sachen Menschlichkeit keinen «Genickschuss»
versetzen.

Der griechische Außenminister Nikos Kotzias hielt den
mitteleuropäischen Staaten vor, sein Land isolieren zu wollen. «Man
kann nicht denken, dass man so komplizierte Sachen wie die
Flüchtlingskrise mit so einfachen Mitteln lösen kann.» Griechenland
schütze seine Seegrenze zur Türkei so gut, wie Meeresgrenzen zu
schützen seien.

Nach dem monatelangen Streit über das Asylpaket II gibt es in der
Koalition derweil neue Irritationen um die gerade erst vom Kabinett
beschlossenen Gesetzesverschärfungen. Nur wenige Tage nach dem
Beschluss sorgten am Samstag Äußerungen von SPD-Chef Sigmar Gabriel
für Verwirrung. Das ARD-Hauptstadtstudio zitierte den Vizekanzler mit
den Worten, die Aussetzung des Familiennachzugs für unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge sei nicht mit ihm verabredet gewesen. Die
Union äußerte sich «sehr verwundert». Die Opposition reagierte mit

Spott auf die neuen Querelen.