Starker Flüchtlingsandrang in Italien - Schlepper festgenommen

30.05.2016 18:31

Die Zahl der Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien liegt in
etwa auf Vorjahresniveau. Nachdem binnen weniger Tage wohl mehrere
Hundert Menschen ertrunken sind, wurden zwei Schleuser festgenommen.

Rom/Athen/London (dpa) - Trotz der Ankunft Tausender Flüchtlinge in
Italien binnen weniger Tage ist die Zahl der über das Mittelmeer
kommenden Menschen seit Jahresbeginn nicht höher als ein Jahr zuvor.
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR erreichten bis zum
29. Mai insgesamt 46 714 Flüchtlinge Italien über das Mittelmeer. Im

Vergleich dazu wurden im Vorjahr bis Ende Mai 47 463 Menschen
gezählt. Nach der Schließung der Balkanroute war befürchtet worden,
Flüchtlinge aus Syrien könnten verstärkt die gefährliche
Mittelmeer-Route wählen.

Die Flucht über das Mittelmeer ist sehr riskant. Vergangene Wochen
seien binnen weniger Tage etwa 700 Menschen ertrunken, teilte das
UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Wochenende mit. Das wohl schwerste
Unglück ereignete sich vergangenen Donnerstag vor der libyschen
Küste. Nach Angaben der italienischen Küstenwache vom Montag wurden
nach dem Untergang eines Flüchtlingsboots mindestens 300 Menschen
vermisst.

Die italienische Polizei nahm inzwischen zwei mutmaßliche Schleuser
fest, die Schuld am Tod von mindestens 45 Flüchtlingen bei einem
Bootsunglück vor der libyschen Küste sein sollen. Sie seien zusammen
mit Überlebenden an Bord eines Kriegsschiffes in der Hafenstadt
Reggio Calabria angekommen, berichtete die italienische
Nachrichtenagentur Ansa am Montag.

Auch in Großbritannien wurden am Montag zwei Briten wegen des
Verdachts des Menschenschmuggels dem Haftrichter vorgeführt. Sie
waren am Vortag zusammen mit 18 Flüchtlingen von der britischen
Küstenwache im Ärmelkanal von einem sinkenden Schlauchboot gerettet
worden. Ein weiteres Boot wurde später verlassen an der Küste
gefunden. In Großbritannien steigt nun die Sorge, dass es im
Ärmelkanal bald zu ähnlich verheerenden Bootsunglücken mit
Flüchtlingen kommen könnte wie im Mittelmeer und in der Ägäis.

Die meisten Menschen, die Italien erreichen, stammen aus Ländern wie
Eritrea, Nigeria, Somalia und dem Sudan. In der Türkei hoffen nach
Einschätzung EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos drei
Millionen Menschen auf die Weiterreise nach Europa. Im Gespräch mit
dem griechischen Präsidenten Prokopis Pavlopoulos betonte er
Medienberichten zufolge, die Entwicklung der Flüchtlingskrise hänge
vom Gelingen des Flüchtlingspakts der EU mit der Türkei ab.

Die Regierung in Rom versicherte unterdessen, dass alle ankommenden
Menschen wie vorgesehen registriert würden. «Die Identifizierung
liegt fast bei 100 Prozent», sagte Innenminister Angelino Alfano der
Zeitung «Corriere della Sera» (Montag). Alfano bekräftigte, insgesamt

kämen nicht mehr Menschen an als im Vorjahr. «Wir haben lediglich
Probleme mit der Unterbringung, weil es so viele in kurzer Zeit
waren», sagte er.

Die Registrierung der ankommenden Flüchtlinge war innerhalb der EU
lange ein Streitpunkt. Österreich etwa hatte Italien vorgeworfen,
Migranten ungehindert in Richtung Norden weiterreisen zu lassen und
deshalb die Wiedereinführung von Grenzkontrollen am Brenner in 
Erwägung gezogen. Italien weist die Vorwürfe jedoch zurück.

An der bayerisch-österreichischen Grenze nahm die Zahl der
Schleusungen unterdessen wieder zu. Im April wurden etwa 850
Flüchtlinge aufgegriffen, im Januar waren es nur 90 Migranten, wie
die Bundespolizeidirektion München am Montag mitteilte. Es werden
auch wieder mehr Schleuser erwischt. In den Monaten Januar bis März
seien es jeweils etwa 50 Schleuser gewesen, im April dann rund 80.