Für Schadenersatzklagen nach Lkw-Kartell könnten neue Regeln gelten

24.07.2016 11:44

Die Konzerne haben sich mit der EU auf Milliarden-Geldbußen geeinigt.
Ausgestanden ist die Sache für die Lkw-Bauer damit noch nicht. Für
Geschädigte könnten Klagen einfacher werden - und bei Daimler fordert
der Betriebsrat Konsequenzen.

Berlin (dpa) - Für die Mitglieder des europaweiten Lkw-Kartells
könnte neben den Rekordgeldbußen auch eine geplante Gesetzesänderung

unangenehm werden. Bis Ende Dezember muss der deutsche Gesetzgeber
eine EU-Richtlinie umsetzen, nach der Kartell-Geschädigte einfacher
Schadenersatz bekommen könnten. Betroffenen Unternehmen soll etwa ein
Recht auf Akteneinsicht gewährt werden. «Häufig können Unternehmen

nur schwer beweisen, dass gerade sie Opfer eines Kartells sind und in
welcher Höhe sie einen Schaden erlitten haben», sagt der Würzburger
Kartellrechtler Florian Bien. Da helfe die Neuregelung.

Daneben soll die Vermutung aufgestellt werden, dass Preisabsprachen
einen Schaden verursacht haben. Die Mitglieder des Kartells müssen
das Gegenteil beweisen, bisher war es andersherum. Zudem werde eine
Verlängerung der Verjährungsfrist Geschädigten helfen, heißt es von

der Monopolkommission, die den Gesetzgeber im Wettbewerbsrecht berät.
Wichtig wäre aus Sicht der Monopolkommission zudem, dass auch
Muttergesellschaften der Kartell-Mitglieder haften, damit Unternehmen
sich nicht durch eine Umstrukturierung der Verantwortung entziehen
können. Bisher sei noch offen, ob dies so geregelt werde.

Ein erster Umsetzungs-Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums liegt
seit Anfang Juli vor. Die neuen Regeln wären nach Inkrafttreten auch
auf laufende Schadenersatzklagen wegen des Lkw-Kartells um Daimler,
Iveco, DAF und Volvo/Renault anwendbar. Die EU-Kommission hatte am
Dienstag wegen Preisabsprachen Geldbußen von knapp 2,93 Milliarden
Euro gegen die Hersteller verhängt.

Die höchste Einzelstrafe entfällt mit rund einer Milliarde Euro auf
Daimler. Der Fall müsse im Konzern Konsequenzen haben, sagte
Betriebsratschef Michael Brecht der «Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung». «In den Fabriken und Büros wird permanent geprüft
,
wo noch ein Cent mehr gespart werden könnte. Und hier verpuffen durch
illegales Handeln über eine Milliarde Euro, die weit sinnvoller
hätten eingesetzt werden können», kritisierte Brecht, der auch
stellevertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates ist. «Die
Beschäftigten sehen solche Vorgänge zu Recht kritisch und fragen laut
nach, wer die Verantwortung dafür übernimmt.»

Für die Kartell-Geschädigten hat die geplante Gesetzesänderung
allerdings auch Haken, wie Juraprofessor Bien erklärt. So gilt das
neue Recht auf Akteneinsicht nicht für Erklärungen von Kronzeugen
sowie Einigungen zwischen einem Unternehmen und der Kartellbehörde.
Im Fall des Lkw-Kartells war die Münchner VW-Tochter MAN Kronzeuge,
gab also den entscheidenden Hinweis für die Ermittlungen. Alle
anderen einigten sich mit der EU-Kommission. Das neue Recht dürfte
Klägern also vor allem gegenüber der schwedischen VW-Tochter Scania
weiterhelfen, die als einzige einen Vergleich ablehnte.

Kartellrechtler Bien erwartet insgesamt allerdings, dass eine Klage
für kleinere Spediteure auch mit der Gesetzesänderung zu aufwendig
bleibt.