Polnischer Außenminister fordert Kompromisse von Deutschland

26.08.2016 04:45

Flüchtlingsfrage, Ostsee-Pipeline, Haltung zu Russland: Polens
Außenminister kritisiert Deutschlands Außenpolitik und wünscht sich
mehr Rücksicht auf die Bündnispartner. An diesem Freitag ist
Kanzlerin Merkel in Warschau zu Besuch.

Warschau (dpa) - Polens Außenminister Witold Waszczykowski hat
Deutschland vorgeworfen, es agiere in der Außenpolitik vielfach zu
egoistisch. «Oft sehen wir die Absicht, ausschließlich das eigene
Ziel zu verfolgen», sagte Waszczykowski der Deutschen Presse-Agentur
vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Freitag in
Warschau. «Natürlich hat dazu jedes Land das Recht, aber manchmal
würden wir in bestimmten Angelegenheiten eine gewisse
Kompromissbereitschaft erwarten», sagte er.

Als Beispiele nannte der polnische Chefdiplomat den geplanten Bau der
Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland, der von den
osteuropäischen EU-Mitgliedern scharf kritisiert wird. Das Projekt
basiere nicht auf wirtschaftlichen Kalkulationen, sondern sei
politisch motiviert, sagte er. «Das schadet der europäischen
Solidarität.» Deutschland solle seine wirtschaftlichen Beziehungen zu
Russland nicht auf Kosten seiner Beziehungen zu Polen ausbauen.

Außerdem kritisierte Waszykowski deutsche Zweifel an der Stärkung der
Nato-Truppen in Osteuropa. Er nahm dabei Bezug auf eine Aussage von
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Der hatte vor dem
Nato-Gipfel im Juli vor «Säbelrasseln» des Bündnisses gewarnt, woll
te
das aber nicht als Kritik an Manövern oder Truppenverlegungen
verstanden wissen. Bei dem Gipfeltreffen in Warschau wurde die
Stationierung von jeweils etwa 1000 Soldaten in Polen, Litauen,
Estland und Lettland beschlossen. Deutschland schickt mehrere hundert
Soldaten nach Litauen. Diese Entscheidung begrüße Polen, sagte
Waszczykowski.

Merkel trifft sich am Freitag mit der polnischen Ministerpräsidentin
Beata Szydlo und anschließend mit den Regierungschefs der sogenannten
Visegrad-Gruppe, zu der auch Tschechien, die Slowakei und Ungarn
gehören. Dabei dürfte es auch um die europäische Flüchtlingspolitik

gehen.

Waszczykowski betonte, dass dabei die Sicherheit des eigenen Landes
sowie die Sozial- und Beschäftigungspolitik im Vordergrund stehen
müssten. «Nicht alle in Europa können sich so eine Politik, wie
Deutschland sie vorschlägt, leisten. Viele Länder, darunter auch
Polen, haben sehr begrenzte Kapazitäten und Möglichkeiten», sagte er.


Der Außenminister wandte sich gegen einen festen Verteilungsschlüssel
für Flüchtlinge in Europa. «Was in dem Zusammenhang euphemistisch
«Umverteilung» genannt wird und wir als «Zwangsumsiedlung»
bezeichnen, kann bei uns nicht akzeptiert werden», sagte
Waszczykowski. Polen habe schlechte Erfahrung mit dem Begriff der
Umsiedelung. «Wir können jetzt nicht anderen Nationen, die vor dem
Krieg fliehend nach Europa gekommen sind, eine Zwangsumsiedlung nach
Polen bescheren.»