Flüchtlingsgipfel setzt auf Grenzschutz - Balkanroute noch mit Lücken

25.09.2016 18:44

Gastgeber Österreich war entscheidend an der weitgehenden Schließung
der Balkanroute beteiligt. Ein Gipfel der angrenzenden Staaten
versuchte eine Bilanz. Die anfängliche EU-Kritik ist gänzlich
verhallt.

Wien (dpa) - Im Kampf gegen illegale Migration wollen die Staaten auf
der Balkanroute auch mit Unterstützung der EU letzte Lücken beim
Grenzschutz schließen. Dies wurde bei einem Flüchtlingsgipfel von elf
Staaten am Samstag in Wien deutlich. Trotz der Grenzzäune und
-kontrollen seien in diesem Jahr rund 50 000 Menschen über diesen Weg
nach Deutschland und 18 000 nach Österreich gekommen, sagte
Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) nach dem Treffen. «W
ir
müssen die Kontrolle über unsere Außengrenzen wiedergewinnen, wir
müssen diejenigen sein, die entscheiden, wer nach Europa kommt, nicht
die Schmuggler», meinte Kern. 

Dabei könnte die europäische Grenzschutzagentur Frontex eine noch
wichtigere Rolle spielen. Griechenland hat nach Angaben von
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen entsprechenden Hilfsantrag
zum Frontex-Einsatz an der griechisch-mazedonischen Grenze gestellt.
Darüber hinaus sollen die Bemühungen um Rückführungsabkommen mit
Staaten wie Ägypten, Niger, Mali, Senegal und auch Pakistan und
Afghanistan verstärkt werden.

Ungarns rechts-konservativer Regierungschef Viktor Orban kann sich
gar die Einrichtung eines «gigantischen Flüchtlingslagers» an Lib
yens
Küste vorstellen. Er zeigte sich erneut äußerst skeptisch, dass
Griechenland in der Lage ist, die EU-Außengrenze wirksam zu schützen.
Daher plädierte er für eine neue «Verteidigungslinie für Europa
». Das
gelte insbesondere dann, wenn der Flüchtlingspakt mit der Türkei
scheitere. 

Deutschland werde Griechenland und Italien in der Flüchtlingskrise
besonders unterstützen, sagte Merkel. Die Bundesrepublik werde aus
diesen Staaten mehrere hundert Migranten mit Bleiberecht pro Monat
aufnehmen. Gerade diese Menschen bräuchten eine Perspektive.
Insgesamt hat die EU aus ihrer Sicht bereits deutliche Fortschritte
bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung gemacht. Im Vergleich
zur Situation vor etwa einem Jahr sei sehr viel erreicht worden.
«Unser Ziel muss sein, die illegale Migration so weit wie möglich zu
stoppen», so Merkel.

Die Organisation Pro Asyl erhob schwere Vorwürfe gegen die deutsche
Regierung. «Die Bundesregierung treibt gemeinsam mit den übrigen
EU-Staaten Flüchtlinge in Griechenland in eine verzweifelte
Situation», sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt der «Welt»
(Montag).

Während die EU die Schließung der Balkanroute zunächst äußerst
skeptisch gesehen hatte, bekannte sich EU-Ratspräsident Donald Tusk
auf dem Gipfel eindeutig zu dieser Grenzsicherung. «Wir müssen
praktisch und politisch sicherstellen, dass die westliche Balkanroute
für illegale Migration für immer geschlossen ist.» Allerdings
betonte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, dass
Solidarität und Würde in der EU Grundwerte und -prinzipien sein.
«Solidarität gibt es nicht à la carte», sagte Avramopoulos an die
Adresse der EU-Staaten, die sich bisher einer fairen Verteilung der
Lasten der Flüchtlingskrise verweigern. 

Zu dem Treffen hatte Österreichs Bundeskanzler Kern auch die
Regierungschefs aus Griechenland, Slowenien, Kroatien, Serbien,
Albanien, Ungarn, Bulgarien, Mazedonien und Rumäniens Innenminister
eingeladen. Österreich hat sich seit Jahresbeginn von seiner
anfänglichen Willkommenspolitik verabschiedet und ist nun eine der
treibenden Kräfte beim Versuch, den Andrang der Flüchtlinge
einzudämmen.

Nach einem deutlichen Rückgang zu Jahresbeginn sind die
Asylbewerberzahlen in der Europäischen Union wieder gestiegen. Im
zweiten Quartal beantragten 305 700 Menschen erstmals Schutz in der
EU, 61 Prozent davon in Deutschland, geht aus jüngsten Zahlen der
Statistikbehörde Eurostat hervor. Insgesamt suchten rund 600 000
Menschen im ersten Halbjahr Zuflucht in der EU.