EU ringt um Zukunft der gemeinsamen Verteidigungspolitik

27.09.2016 16:25

Zu langsam und zu unkoordiniert: Wenn es nach Ursula von der Leyen
geht, muss sich in der EU-Verteidigungspolitik schnellstens etwas
ändern. Doch ausgerechnet London kündigt erneut Widerstand an.

Bratislava (dpa) - Keine Nato-Konkurrenz, aber trotzdem mehr
Schlagkraft: In der EU bahnt sich eine schwierige Diskussion über die
Zukunft der gemeinsamen Verteidigungspolitik an. Länder wie
Deutschland, Frankreich und Italien warben am Dienstag bei einem
Ministertreffen in der slowakischen Hauptstadt Bratislava für neue
ambitionierte Gemeinschaftsprojekte. Großbritannien kündigte hingegen
an, trotz des geplanten EU-Austritts gegen den Aufbau einer starken
europäischen Verteidigungsunion ankämpfen zu wollen.

«Wir werden weiterhin gegen jede Idee einer EU-Armee oder eines
EU-Armeehauptquartiers sein», sagte Verteidigungsminister Michael
Fallon. Entsprechende Projekte würden Doppelstrukturen schaffen und
die Nato untergraben. Diese müsse Grundpfeiler der europäischen
Verteidigung bleiben.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und ihr
französischer Kollege Jean-Yves Le Drian betonten, dass es bei ihren
Vorschlägen nicht um eine europäischen Armee, sondern um eine
verstärkte Zusammenarbeit gehe. Diese sehen allerdings den Aufbau
eines ständigen Hauptquartiers zur Steuerung von zivilen und
militärischen EU-Einsätzen vor.

«Wenn man sich anschaut, wie viel Personal und Finanzen innerhalb der
Verteidigung in Europa vorhanden sind in 28 Staaten, aber wie wenig
wir untereinander koordiniert sind, so können wir deutlich besser
werden», kommentierte von der Leyen.

Gemeinsam mit Le Drian schlägt sie deshalb unter anderem den Aufbau
eines mobilen Militärkrankenhauses und einer gemeinsamen
Logistikdrehscheibe vor. Europa sei in Krisenfällen zu langsam, sagte
von der Leyen. Das habe man zuletzt unter anderem bei der Ebola-
Epidemie in Westafrika gemerkt. Sie kostete mehr als 11 000 Menschen
das Leben.

Ob die deutsch-französischen Vorschläge Zukunft haben, wird sich
spätestens beim nächsten EU-Verteidigungsministertreffen Mitte
November zeigen. Bis dahin will die EU-Außenbeauftragte Federica
Mogherini nach weiteren Diskussionen mit den Mitgliedstaaten ein
beschlussfähiges Konzept vorlegen, wie die europäische Sicherheits-
und Verteidigungspolitik weiterentwickelt werden kann.

Die Italienerin kündigte bei der Abschluss-Pressekonferenz an, dass
sie sich dabei auch um die Zustimmung Großbritanniens bemühen werde.
«Wir sind weiterhin 28 Mitgliedsländer», sagte sie und betonte, es
gebe nach den Gesprächen eine gemeinsame Grundlage. Auf Fragen nach
möglichen britischen Widerständen erklärte sie, sie habe in den
dreistündigen Beratungen kein einziges Mal die Wörter «Veto»,
«blockieren» oder «EU-Armee» gehört.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg machte klar, dass er neue
EU-Projekte im Bereich der Verteidigung befürwortet, solange sie
einen praktischen Zusatznutzen haben. «Ein starkes Europa macht die
Nato stärker», kommentierte er nach einer gemeinsamen Diskussion mit
den EU-Verteidigungsministern. «Es gibt keinen Widerspruch zwischen
einer starken europäischen Verteidigung und einer starken Nato.»

Als wahrscheinlich gilt dennoch, dass eine Vertiefung der
Sicherheits- und Verteidigungsunion bis zum Brexit nur über eine
sogenannte «Ständige Strukturierte Zusammenarbeit» (SSZ) möglich is
t.
Diese ermöglicht es einzelnen EU-Staaten, enger zusammenarbeiten. Ein
solches Vorgehen könnte Großbritannien nur dann verhindern, wenn es
andere EU-Staaten auf seine Seite bringt, da die SSZ mit einer
Mehrheitsentscheidung beschlossen werden könnte.