Deutsche Bank-Chefvolkswirt kritisiert EZB scharf

27.09.2016 15:45

Berlin/Frankfurt (dpa) - Die Kritik an der Geldpolitik der
Europäischen Zentralbank (EZB) aus der Deutschen Bank hat sich
deutlich verschärft. Europa müsse sich fragen, inwieweit die
«aggressive, unkonventionelle und völlig unerprobte Geldpolitik der
EZB - bis hin zu negativen Zinsen - zur Verschärfung der Probleme
Europas beiträgt», monierte Chefvolkswirt David Folkerts-Landau am
Dienstag in einem vorab veröffentlichten Gastbeitrag in der Zeitung
«Die Welt». Die Kritik kommt kurz vor einem Auftritt von
EZB-Präsident Mario Draghi am Mittwoch im Bundestag.

Folkerts-Landau geht mit der Geldpolitik der EZB hart ins Gericht.
Die Regierungen der Eurozone hätten dringend nötige Reformen nicht in
Angriff genommen. Die extrem lockere Geldpolitik habe die
«Untätigkeit zur kurzfristig attraktiveren Option gemacht»,
kritisierte der Ökonom. Mit dem Versprechen der EZB, in Schieflage
geratene Länder mit Hilfe von Anleihekäufen aufzufangen, seien
Reformanreize zunichte gemacht worden.

Im Kampf gegen die niedrige Inflation im Euroraum hat die EZB den
Leitzins auf Null und den Zins für Einlagen von Banken auf minus 0,4
Prozent gesenkt. Zudem kauft die Notenbank monatlich Anleihen im
Volumen von 80 Milliarden Euro. Für ihre Politik des billigen Geldes
steht die EZB gerade in Deutschland in der Kritik.

Folkerts-Landau fragt in seinem Gastkommentar: «Wollen wir wirklich
das Scheitern des wichtigsten wirtschaftspolitischen Projekts der
Geschichte riskieren?» Seiner Einschätzung nach stehe Europas Zukunft
auf dem Spiel. «Noch nie war eine Region so abhängig von dogmatischen
Entscheidungen nicht direkt gewählter Technokraten», kritisierte er
die jüngsten geldpolitischen Entscheidungen.