Für Ceta läuft die Zeit ab - Wallonie blockiert EU-Handelspakt

23.10.2016 17:02

Gelingt die Rettung in letzter Minute? Die belgische Wallonie sperrt
sich hartnäckig gegen Ceta. Im äußersten Fall könnte die geplante
Unterzeichnung des EU-Abkommens mit Kanada platzen.

Brüssel (dpa) - Unter zunehmendem Zeitdruck sucht die Europäische
Union nach einer Lösung der belgischen Blockadehaltung gegen das
Ceta-Freihandelsabkommen mit Kanada. Zwischen der EU-Kommission,
Kanada, der belgischen Regierung und der Regionalregierung der
Wallonie wurden am Wochenende intensive Gespräche geführt. Am Montag
sollte voraussichtlich eine Entscheidung zur für Donnerstag geplanten
Unterzeichnungs-Zeremonie fallen, hieß es aus EU-Kreisen.

Wenn bis dahin keine Zustimmung Belgiens vorläge, werde erwartet,
dass der Termin für die geplante Unterzeichnung wohl nicht zu halten
sei, hieß es weiter. Ein neuer Termin sei dann noch nicht absehbar.

An den Gesprächen sollen demnach EU-Ratspräsident Donald Tusk,
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der belgische Regierungschef
Charles Michel und schließlich Kanadas Premier Justin Trudeau
beteiligt sein.

Das bereits zwischen der EU und Kanada fertig ausgehandelte
Freihandelsabkommen Ceta droht auf den letzten Metern zu scheitern,
da die belgische Region Wallonie sich dagegen sperrt. Die belgische
Föderalregierung braucht zur Zustimmung grünes Licht aus der
Wallonie, die EU wiederum benötigt das Einvernehmen aller 28
EU-Staaten.

Mit Ceta sollen Zölle und andere Handelshemmnisse zwischen der EU und
Kanada abgebaut werden, um Jobs und Wirtschaftswachstum zu schaffen.
Die von hoher Arbeitslosigkeit geprägte Wallonie befürchtet wie auch
Ceta-Kritiker in anderen Teilen Europas unter anderem Nachteile für
die Landwirtschaft und eine Absenkung von Sozialstandards. Zudem gibt
es innenpolitische Zwistigkeiten.

Spannungen gab es am Sonntag wegen einer möglichen Frist an Belgien.
Ein Regierungssprecher Michels sagte der Agentur Belga zufolge,
EU-Ratschef Donald Tusk habe dem belgischen Premier gegenüber
Montagabend als Ultimatum genannt. Von EU-Diplomaten hieß es hingegen
ausdrücklich, es gehe nicht um Fristen. «Wir verstehen, dass Belgien
etwas Zeit braucht, hoffen aber auf eine baldige Lösung», hieß es
zudem aus der EU-Kommission.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hatte bereits am Samstag sowohl
die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland als auch den
wallonischen Regierungschef Paul Magnette zu Krisengesprächen in
Brüssel getroffen. Danach zeigte er sich noch zuversichtlich, dass
Ceta wie geplant beim EU-Kanada-Gipfel am Donnerstag unterzeichnet
werden kann. «Ich glaube, dass Paul Magnette gesehen hat, dass es
eine große Erwartungshaltung an ihn gibt. Ihm ist auch klar geworden,
dass sich die EU nicht kalt über wallonische Bedenken hinwegsetzt»,
sagte Schulz (SPD) der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung».

Kanada ist nach den Worten seiner Handelsministerin Freeland nach wie
vor zur Unterzeichnung von Ceta bereit. «Ich hoffe, dass ich in
einigen Tagen mit meinem Premierminister zurückkehren kann, um das
Abkommen wie geplant am 27. Oktober zu unterzeichnen», sagte sie. Am
Freitag hatte Freeland nach direkten Gesprächen mit der wallonischen
Regionalregierung noch verkündet, keine Chance mehr auf eine
Unterzeichnung zu sehen und ihren Rückflug angekündigt.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warnte eindringlich
vor einem Scheitern von Ceta. «Es ist ein innereuropäisches und ein
innerbelgisches Problem und kein Problem Kanadas. Ceta ist ein
exzellentes Abkommen, und es darf nicht an der Unfähigkeit Europas
scheitern, einen regionalen Interessenausgleich zu finden.»

Zudem wies Gabriel Vorhaltungen gegen deutsche Ceta-Interventionen
zurück. «Die Mitgliedstaaten haben auf die Fragen und Kritik ihrer
Bevölkerung reagiert», sagte der SPD-Vorsitzende am Sonntag der
Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Verhandlungsführer bei
EU-Freihandelsabkommen ist eigentlich die Brüsseler EU-Kommission.
Unter anderem auf Druck aus Berlin hin war Ceta vor einigen Monaten
als Vertrag eingestuft worden, dem nicht nur das Europaparlament,
sondern auch der Bundestag und andere nationale Parlamente zustimmen
müssen.

Zuvor hatte der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger Gabriel wegen
seines Vorgehens in den Ceta-Verhandlungen kritisiert. Kanada zweifle
an der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union, sagte Oettinger den
Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). Schuld seien die
Mitgliedstaaten, die das Thema an sich ziehen wollten.