EU-Politiker wollen keine Wiederholung des Ceta-Dramas

28.10.2016 22:22

Lange hat eine belgische Region Politiker in Europa in Atem gehalten.
Nun scheint der Handelspakt Ceta mit Kanada zwar gerettet. Doch es
bleiben Fragen nach der künftigen EU-Politik. Und ein Eilantrag.

Brüssel/Berlin/Karlsruhe (dpa) - Nach dem dramatischen Ceta-Gezerre
haben EU-Politiker eine Diskussion über die künftige Handelspolitik
gefordert. Er sehe «alle Vorbehalte bestätigt, dass Europa schwer
handlungsfähig wäre», sagte der deutsche EU-Kommissar Günther
Oettinger dem Deutschlandfunk am Freitag. Eine «Entflechtung der
Kompetenzen» von europäischer und nationaler Ebene sei notwendig.

Vor allem die Wallonie hatte sich bis zuletzt gegen Ceta gestemmt.
Ohne das Einverständnis der gerade mal 3,6 Millionen Einwohner
zählenden Region hätte die belgische Regierung die Unterzeichnung des
Abkommens verweigern müssen, was letztlich das Aus für Ceta hätte
bedeuten können. Damit es in Kraft treten kann, müssen es alle 28
EU-Staaten unterzeichnen.

Die Linke im Bundestag startete unterdessen einen Versuch, die
deutsche Zustimmung zum Freihandelsabkommen Ceta in letzter Minute
vor dem Bundesverfassungsgericht zu verhindern. Dazu wurde am Freitag
ein Eilantrag in Karlsruhe eingereicht. Die Bundesregierung habe die
Auflagen der Verfassungsrichter für eine Zustimmung nicht erfüllt,
erklärten die Fraktionschefs Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch in
Berlin.

Die 28 EU-Staaten wollten dem Abkommen der EU mit Kanada bis um 24.00
Uhr am Freitag ihre offizielle Zustimmung erteilen. Das passiert in
einem schriftlichen Verfahren. Der Eilantrag zielt darauf ab, den
deutschen Vertreter an dieser Zustimmung zu hindern.

Ein Sprecher des Verfassungsgerichts bestätigte den Eingang des
Eilantrags. Ob darüber noch am Freitag entschieden werden würde, war
unklar. Unbekannt war auch, ob Deutschland Ceta womöglich bereits
zugestimmt hat. Sobald alle EU-Mitglieder dies getan haben, könnte
das Abkommen bald unterzeichnet werden.

Vorbeugend reichte die Linksfraktion zusätzlich einen Hilfsantrag in
Karlsruhe ein. Dieser soll gelten, falls die vorläufige Anwendung von
Ceta zum Zeitpunkt der Karlsruher Entscheidung bereits beschlossen
ist. In diesem Fall sollen die Verfassungsrichter die Bundesregierung
verpflichten, Ceta zu einem späteren Zeitpunkt zu blockieren, nämlich
bevor Kanada über die Zustimmung des EU-Parlaments unterrichtet wird.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker pochte in der ARD auf eine
klare Trennung der Zuständigkeiten: «Wir werden uns in Zukunft
überlegen müssen, (...) dass wir ab Tag eins fein säuberlich trennen,

was in europäische Zuständigkeit fällt und was nationalen Parlamenten

überlassen sein muss.» Juncker hatte davon abgeraten, nationale
Parlamente zu beteiligen.

In Belgien nahm der Handelspakt derweil letzte politische Hürden.
Alle nötigen Regional- und Sprachparlamente erlaubten der
Föderalregierung im Laufe des Tages die Zustimmung zu Ceta. Als
letztes votierte am Abend das Parlament der Föderation
Wallonie-Brüssel. Im wallonischen Parlament feierte der
Regierungschef der Region, Paul Magnette, die Zugeständnisse, die er
und andere der belgischen Föderalregierung abgetrotzt hatten.

Den Bedenken der Ceta-Kritiker soll nun mit Zusatzerklärungen und
Garantien Rechnung getragen werden. So wird festgestellt, dass die
Belgier Konkurrenz für ihre Landwirte im Notfall über eine
Schutzklausel abhalten können. Zudem soll der Europäische Gerichtshof
aufgefordert werden, ein Gutachten zu den umstrittenen Regelungen
zur Streitbeilegung zwischen Unternehmen und Staaten zu erstellen.

Ceta sei nun ein «besserer Vertrag» und das wallonische
Regionalparlament in aller Welt berühmt, erklärte Magnette. Die
Abgeordneten in Wallonien sowie in anderen belgischen Parlamenten
sollten im Laufe des Tages noch zustimmen.

Bevor Ceta in Kraft treten kann, ist zunächst noch das
Europaparlament am Zug. Das Plenum dürfte im Dezember oder Januar
über das Abkommen abstimmen, eine Mehrheit wird erwartet. Danach
müssen die nationalen Parlamente Ceta billigen. Unklar ist nach
Angaben von Experten, in welcher Form dabei in Deutschland neben dem
Bundestag auch der Bundesrat beteiligt wird. Wichtig für diese Frage
ist, ob Kompetenzen der Länder betroffen sind.