Hitzige Debatte und letzte Appelle: Wahlkampfschluss in Österreich

02.12.2016 19:23

Das Ende hatte es in sich: Verbal flogen die Fetzen zwischen den
Kandidaten im letzten TV-Duell. Auf den späteren Abschlussfeiern
zogen die Bewerber um das Präsidentenamt in Österreich noch einmal
viele Register.

Wien (dpa) - Mit stimmungsvollen Feiern haben in Österreich die
beiden Präsidentschaftskandidaten zum Schluss des Wahlkampfs noch
einmal um Stimmen geworben. Zwei Tage vor der international stark
beachteten Wahl betonte der 72-jährige Alexander Van der Bellen, dass
Österreich keiner Radikalkur bedürfe. «Wir lösen Probleme nicht mit

Radikalismus, sondern mit Verstand und Zuversicht», sagte der
ehemalige Grünen-Chef vor mehreren hundert Anhängern am Freitagabend
in Wien. Ein Reformbedarf für das wirtschaftlich stagnierende Land
sei aber offensichtlich. «Wir wissen ja, dass es an allen Ecken und
Ende zieht. Aber deshalb müssen wir das Haus ja nicht abreißen.»

Sein Kontrahent von der ausländer- und europakritischen FPÖ, Norbert
Hofer, hat hingegen noch einmal sein neues Amtsverständnis betont.
Der 45-Jährige werde sich verstärkt in die Tagespolitik einmischen,
kündigte er erneut an. Dazu gehöre auch ein Drängen auf mehr direkte

Demokratie mittels Volksbefragungen. «Man muss den Menschen mehr
vertrauen», sagte der Rechtspopulist vor rund 200 Zuhörern im
Festsaal der alten Wiener Börse. Die Bürger sollten zum Beispiel über

das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen Ceta entscheiden
können. Zugleich warb er für eine starke Begrenzung der Zuwanderung.


Der österreichische Bundespräsident hat im Gegensatz zum deutschen
Amtsinhaber die Macht, die Regierung zu entlassen. Der Ausgang der
Wahl in Österreich gilt als völlig offen. Hofer wäre bei einem Sieg
der erste Rechtspopulist an der Spitze eines Staates in Westeuropa.

Zuvor hatten sich die beiden Bewerber noch einmal ein unerwartet
hitziges Duell geliefert. In der TV-Debatte im ORF fielen Worte wie
«Lügner», «Spion» und «Kommunist». Hofer und Van der Bellen
präsentierten sich nach Einschätzung von Politik-Experten in der rund
90-minütigen Sendung am Donnerstagabend wenig staatsmännisch. Es war
das letzte von vier TV-Duellen vor der Wahl an diesem Sonntag. Dann
sind 6,4 Millionen Österreicher aufgerufen, einen Bundespräsidenten
für die nächsten sechs Jahre zu wählen.

Die Zahl der Briefwähler bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich

ist diesmal deutlich niedriger als bei der ersten Stichwahl im Mai.
Dem Innenministerium in Wien zufolge wurden 708 185 Stimmzettel für
Briefwähler ausgestellt, das sind etwa 20 Prozent weniger als vor gut
sechs Monaten. Ob aus diesem Rückgang bereits Schlüsse auf den
Ausgang gezogen werden können, ist unter Experten umstritten.

Unterdessen warnte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz davor,
die jüngsten politischen Entwicklungen zugunsten der Populisten über
einen Kamm zu scheren. «Ich würde vorsichtig sein mit
Verallgemeinerungen», sagte Kurz dem «Münchner Merkur» (Samstag).
Grundsätzlich sei die Situation in jedem Land spezifisch zu
betrachten. «Dann kommt man darauf, dass nicht alles eins zu eins
vergleichbar ist. Die AfD ist nicht Donald Trump. Und Donald Trump
ist nicht der Brexit.»