Erbitterter Streit über Schulz-Nachfolge im Europaparlament

10.01.2017 17:24

Nächste Woche wählt das Europaparlament einen neuen Präsidenten. Bis

zu acht Kandidaten wollen antreten. Kann einer auf eine Mehrheit
hoffen?

Brüssel (dpa) - Der Streit um die Nachfolge von
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz eskaliert. Der
christdemokratische Fraktionschef Manfred Weber warnte am Dienstag
vor einem Erstarken von Populisten und Extremisten, falls die
gemäßigten Kräfte im Parlament nicht an einem Strang ziehen. Doch
bleibt es vorerst dabei, dass alle großen Fraktionen eigene
Kandidaten in die Präsidentenwahl nächste Woche schicken.

Der Sozialdemokrat Schulz wechselt in die Bundespolitik. Webers
Europäische Volkspartei pocht auf eine schriftliche Vereinbarung von
2014, wonach Schulz nach der ersten Hälfte der Legislaturperiode das
Amt an einen Christdemokraten abgeben sollte. Weber veröffentlichte
am Dienstag die lange geheim gehaltene Abmachung.

Doch haben Sozialdemokraten und Liberale bereits eigene Kandidaten
aufgestellt, statt dem EVP-Vertreter Antonio Tajani Unterstützung
zuzusagen. Insgesamt könnten bis zu acht Bewerber ins Rennen gehen.
Die Wahl ist kommenden Dienstag (17. Januar). Mehrheiten sind noch
nicht absehbar.

Weber mahnte Sozialdemokraten und Liberale, sich an die Vereinbarung
zu halten und die Zusammenarbeit im Parlament fortzusetzen. Die Tür
dafür bleibe offen. Gleichzeitig machte er den beiden Fraktionen
schwere Vorwürfe.

So schrieb der CSU-Politiker in einem Brief an seine
EVP-Fraktionskollegen: «Jene, die unsere Vereinbarung brechen, tragen
die volle Verantwortung, sollten antieuropäische Kräfte Einfluss
gewinnen.»

Die Sozialdemokraten lassen das nicht gelten. Politische Arbeit und
Mehrheitsfindung seien auch ohne den Pakt der großen Parteien weiter
möglich, ohne auf radikale Kräfte angewiesen zu sein, hieß es aus der

Fraktion. Es gehe nicht, dass die EVP neben den Ämtern des
EU-Kommissionspräsidenten und des Ratspräsidenten nun auch noch die
Spitze des Parlaments besetze.

Die Grünen-Fraktionschefin Ska Keller äußerte sich ähnlich. «Wir

waren von Anfang an gegen Absprachen, denn sie lähmen das Europäische
Parlament», sagte die Deutsche.