Stelldichein der Rechten am Deutschen Eck Von Jens Albes und Anne-Béatrice Clasmann, dpa

13.01.2017 16:00

Der AfD-Europaabgeordnete Marcus Pretzell gehört seit dem vergangenen
Jahr als einziger Deutscher zur Fraktion «Europa der Nationen und der
Freiheit». Jetzt organisiert er ein Treffen der ENF-Fraktion in
Koblenz. Auf der Tagesordnung steht eine Rede von Marine Le Pen.

Koblenz (dpa) - Ein Treffen europäischer Rechtspopulisten in Koblenz
schlägt schon im Vorfeld hohe Wellen. Zu dem Kongress mit dem Titel
«Freiheit für Europa» am 21. Januar werden rund 1000 Teilnehmer, 1000

Gegendemonstranten und mehr als 1000 Polizisten erwartet. Ein Teil
der Medien ist von der Veranstaltung am Deutschen Eck ausgeschlossen.

Wer kommt?

Angesagt für das Treffen der Fraktion «Europa der Nationen und der
Freiheit» (ENF) im Europaparlament haben sich unter anderem
AfD-Chefin Frauke Petry und die Präsidentschaftskandidatin der
rechtsextremen französischen Partei Front National, Marine Le Pen.
Außerdem der Vorsitzende der niederländischen Freiheitspartei (PVV),
Geert Wilders, und der Chef der italienischen Lega Nord, Matteo
Salvini. Alle vier halten laut Tagesordnung eine Rede.

Sind Le Pen und Wilders früher schon in Deutschland aufgetreten?

Für die Front-National-Chefin Marine Le Pen ist es eine Premiere. Der
niederländische Rechtspopulist Geert Wilders hatte hierzulande schon
mehrere Auftritte. Im April 2015 trat er bei einer Kundgebung des
islamfeindlichen Pegida-Bündnisses in Dresden als Redner auf.

Ist das jetzt ein Schulterschluss der AfD mit Le Pen und Wilders?

Eine Annäherung ja, ein Schulterschluss nein. Marcus Pretzell ist
AfD-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen. Seine Einladung zu
diesem Treffen hat er aber in seiner Eigenschaft als
Europa-Abgeordneter verschickt. Die AfD-Bundesvorsitzende Petry -
Pretzells Ehefrau - tritt in Koblenz zwar auch als Rednerin auf. Doch
mehrere Mitglieder des AfD-Bundesvorstandes haben darauf hingewiesen,
dies sei trotzdem keine AfD-Veranstaltung, sondern ein Treffen der
ENF-Fraktion im Europäischen Parlament.

Was hat das Treffen mit den anstehenden Wahlen zu tun?

In Nordrhein-Westfalen wird am 14. Mai ein neuer Landtag gewählt.
Durch seine prominente Rolle bei der Veranstaltung dürfte Pretzells
Bekanntheitsgrad weiter steigen. Allerdings ist schwer vorherzusagen,
ob der AfD die Aufmerksamkeit, die dieses Treffen hervorruft, eher
nutzen oder schaden wird - auch mit Blick auf die Bundestagswahl.
Denn die Partei Front National wird von Politologen in Frankreich und
Deutschland als rechtsextrem eingestuft. Das könnte bürgerliche
Wähler abschrecken.

Gibt es Gegenveranstaltungen?

Ein breites Bündnis will unter dem Motto «Koblenz bleibt bunt» gegen

die Rechtspopulisten protestieren. Insgesamt rund 150 Organisationen,
Gewerkschaften, Parteien und Persönlichkeiten unterstützen die
Gegendemonstration. Die Organisatoren rechnen mit mehr als 1000
Teilnehmern. Als Hauptredner erwartet werden Luxemburgs Außenminister
Jean Asselborn und die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu
Dreyer (SPD), die auch Bundesratspräsidentin ist. Sie will deutlich
machen, «dass wir für ein buntes, ein offenes Europa stehen und nicht
für ein in das Nationalistische zurückgehende Europa». Der Koblenzer

Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig (SPD) sagt: «Die
Rechtspopulisten sind uns in Koblenz herzlich unwillkommen.»

Wie reagiert die Koblenzer Polizei?

Sie erhält Verstärkung. Es kommen auch Beamte aus anderen
Bundesländern. Insgesamt sollen mehr als 1000 Polizisten im Einsatz
sein. «Gewalt kann man nie ganz ausschließen. Aber wir sind auf alles
vorbereitet», versichert ein Sprecher des Koblenzer
Polizeipräsidiums.

Wie ist der Umgang mit den deutschen Medien?

Die Veranstalter wollen einen Teil von ihnen ausschließen und
begründen das mit angeblich gefärbter Berichterstattung. Alle
öffentlich-rechtlichen Medien, «Handelsblatt», «Compact-Magazin»

sowie zwei Journalisten von «Spiegel» und «Frankfurter Allgemeiner
Zeitung» erhalten ihren Angaben zufolge keine Akkreditierung. Nur die
Pressekonferenz sei für alle Journalisten zugänglich - und es gebe
von der gesamten Tagung einen Livestream im Internet.

Wie sind die Reaktionen darauf?

Nicht nur ausgeschlossene Medien werten dies als Angriff auf die
Pressefreiheit. Der Deutsche Journalisten-Verband spricht vom
Eindruck einer versuchten erzwungenen Hofberichterstattung. Die ARD
behält sich rechtliche Schritte vor. Das ZDF erklärt: «Eine freie
Berichterstattung ist nur möglich, wenn Journalisten sich vor Ort ein
eigenes Bild machen können.» Der Sender will sich dennoch bemühen,
über das Treffen zu berichten. Die Mainzer Ministerpräsidentin Dreyer
hält das Vorgehen für verfassungsfeindlich.

Was sagen Medienexperten?

Marcus Maurer, Mainzer Professor für Kommunikationswissenschaft,
vermutet eine Provokation, «die darauf abzielt, Pluspunkte bei den
eigenen Anhängern zu sammeln. Außerdem sichert man sich auf diese
Weise natürlich auch wieder öffentliche Aufmerksamkeit».