Britische Medien: May will «sauberen» Schnitt mit Brüssel

15.01.2017 11:35

Wie weit wird May gehen? Könnte die Premierministerin am Dienstag die
Bereitschaft Großbritanniens ankündigen, aus dem europäischen
Binnenmarkt auszusteigen? Die Zeichen in London stehen erstmal auf
Konfrontationskurs.

London (dpa) - Medien in Großbritannien spekulieren, dass
Premierministerin Theresa May bei ihrer Grundsatzrede zum Brexit am
Dienstag einen harten Kurs ankündigen wird. May werde zu erkennen
geben, dass sie «bereit ist, Großbritannien aus dem europäischen
Binnenmarkt und der Zollunion zu führen», schreibt der «Telegraph»
in
seiner Sonntagsausgabe.

May werde für einen «sauberen» Schnitt mit der EU werben, hieß es.

Andere Blätter berichteten ähnlich. Ein Regierungssprecher
bezeichnete die Berichte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur
als «Spekulationen».

Die Briten hatten sich in einem historischen Referendum im Juni
vergangenen Jahres mit knapper Mehrheit für einen Austritt aus der EU
ausgesprochen. Bis spätestens Ende März will Premierministerin May
die Austrittserklärung des Landes nach Brüssel schicken. Erst dann
können die Verhandlungen beginnen.

Finanzminister Philip Hammond deutete an, dass die britische
Regierung auf Konfrontationskurs zur EU gehen könnte. In einem
Interview der «Welt am Sonntag» deutete er an, Großbritannien könne

Drohungen wahrmachen, den Körperschaftssteuersatz deutlich zu senken.
Entsprechende Äußerungen Mays hatten zuletzt zu Unbehagen bei den
verbliebenen 27 EU-Mitgliedern geführt.

Befürchtet wird, es könne zu einem Unterbietungswettbewerb kommen, um
Unternehmen anzulocken. Gefragt, ob Großbritannien zum Steuerparadies
werden wolle, sagte Hammond, das Land könnte gezwungen sein, «sein
Wirtschaftsmodell zu ändern», wenn es vom europäischen Binnenmarkt
ausgeschlossen werde. Schatzkanzler Hammond galt bislang in Mays
Kabinett als prominentester Befürworter eines Verbleibs im
Binnenmarkt.

Ein Ausscheiden aus dem Binnenmarkt zählt als Voraussetzung, um die
unkontrollierte Einwanderung von EU-Bürgern in das Land zu stoppen -
eines der zentralen Wahlversprechen der Brexit-Befürworter. Die
Zollunion muss Großbritannien verlassen, wenn es in der Lage sein
will, bilaterale Freihandelsabkommen mit Drittstaaten wie Australien
oder den USA abzuschließen. Das ist eines der erklärten Ziele der
Regierung.

Bislang hat es May vermieden, ein Ausscheiden des Landes aus dem
Binnenmarkt konkret in Erwägung zu ziehen. Große Teile der Wirtschaft
befürchten dramatische Folgen, sollte Großbritannien seine
Mitgliedschaft im Binnenmarkt aufgeben.

Eine Gruppe von Abgeordneten hatte May bereits am Samstag dazu
aufgerufen, «Position zur Mitgliedschaft im europäischen Binnenmarkt
und in der Zollunion» zu beziehen. Bis Mitte Februar forderten die
Abgeordneten einen detaillierten Brexit-Plan von der Regierung.

Die Regierung lehnt das ab. Sie werde dem Parlament erst Ende März
einen Plan vorlegen, teilte das Brexit-Ministerium mit. Ob sich die
Abgeordneten damit und mit Mays Rede zufrieden geben werden, ist
ungewiss.