«Sauberer» Schnitt und Handelskrieg? Anspannung vor Mays Brexit-Rede

15.01.2017 16:42

Wie weit wird May gehen? Könnte die Premierministerin am Dienstag die
Bereitschaft Großbritanniens ankündigen, aus dem europäischen
Binnenmarkt auszusteigen? Die Zeichen in London stehen erstmal auf
Konfrontationskurs. Selbst von «Handelskrieg» ist schon die Rede.

London (dpa) - Wenige Tage vor einer Grundsatzrede der britischen
Premierministerin Theresa May zum Brexit mehren sich Anzeichen, dass
die britische Regierung auf Konfrontationskurs zur EU gehen wird.

Medien in Großbritannien spekulierten, May werde sich in Sachen
Einwanderung von EU-Bürgern bei der Rede am Dienstag unnachgiebig
zeigen. Eher werde sie Großbritannien aus dem europäischen
Binnenmarkt und der Zollunion führen, berichtete der «Telegraph» in
seiner Sonntagsausgabe. May werde für einen «sauberen» Schnitt mit
der EU werben.

Andere Blätter berichteten ähnlich. Ein Regierungssprecher
bezeichnete die Berichte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur
als «Spekulationen».

Die Briten hatten sich in einem historischen Referendum im Juni
vergangenen Jahres mit knapper Mehrheit für einen Austritt aus der EU
ausgesprochen. Bis spätestens Ende März will Premierministerin May
die Austrittserklärung des Landes nach Brüssel schicken. Erst dann
können die Verhandlungen beginnen.

Auch Finanzminister Philip Hammond machte Andeutungen, dass die
britische Regierung auf Konfrontationskurs zur EU gehen könnte. In
einem Interview der «Welt am Sonntag» deutete er an, Großbritannien
könne Drohungen wahrmachen, den Körperschaftssteuersatz deutlich zu
senken. Entsprechende Äußerungen Mays hatten zuletzt zu Unbehagen bei
den verbliebenen 27 EU-Mitgliedern geführt.

Der Chef der oppositionellen britischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn,
warnte indes vor einem Handelskrieg mit der Europäischen Union. Die
Äußerungen Hammonds seien ein «Rezept für eine Art Handelskrieg mit

Europa in der Zukunft», sagte Corbyn in einem BBC-Interview am
Sonntag.

Ein Ausscheiden aus dem Binnenmarkt zählt als Voraussetzung, um die
unkontrollierte Einwanderung von EU-Bürgern in das Land zu stoppen -
eines der zentralen Wahlversprechen der Brexit-Befürworter. Die
Zollunion muss Großbritannien verlassen, wenn es in der Lage sein
will, bilaterale Freihandelsabkommen mit Drittstaaten wie Australien
oder den USA abzuschließen. Das ist eines der erklärten Ziele der
Regierung.

Bislang hat es May vermieden, ein Ausscheiden des Landes aus dem
Binnenmarkt konkret in Erwägung zu ziehen. Große Teile der Wirtschaft
befürchten dramatische Folgen, sollte Großbritannien seine
Mitgliedschaft im Binnenmarkt aufgeben.

Eine Gruppe von Abgeordneten hatte May bereits am Samstag dazu
aufgerufen, «Position zur Mitgliedschaft im europäischen Binnenmarkt
und in der Zollunion» zu beziehen. Bis Mitte Februar forderten die
Abgeordneten einen detaillierten Brexit-Plan von der Regierung.

Die Regierung lehnt das ab. Sie werde dem Parlament erst Ende März
einen Plan vorlegen, teilte das Brexit-Ministerium mit. Ob sich die
Abgeordneten damit und mit Mays Rede zufrieden geben werden, ist
ungewiss.