Abgeordnete: Merkel muss in Warschau Demokratieverstöße anprangern

06.02.2017 14:46

Die Erwartungen an Merkels Polen-Besuch sind hoch: Die Kanzlerin
müsse für mehr Zusammenhalt mit Berlin und Brüssel werben, fordern
Bundestagsabgeordnete. Verstöße der polnischen Regierung gegen die
Rechtsstaatlichkeit dürfe sie aber nicht übergehen.

Berlin/Warschau (dpa) - Bundestagsabgeordnete haben Kanzlerin Angela
Merkel aufgefordert, bei ihrem Besuch am Dienstag in Warschau
Demokratieverstöße der polnischen Regierung anzuprangern. Zugleich
solle sie möglichst für mehr Zusammenhalt mit Deutschland und der EU
werben, sagten Mitglieder der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe
der Deutschen-Presse-Agentur in Berlin.

Die Einschränkungen von Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in
Polen führten zu wachsenden Differenzen mit Deutschland, sagte der
Vorsitzende der Parlamentariergruppe, Thomas Nord (Linke). «Das kann
die Beziehungen nachhaltig beschädigen und den Zusammenhalt in der EU
schwächen.» Sein Stellvertreter Dietmar Nietan (SPD) forderte die
Kanzlerin auf, Polens Regierung trotz ihrer teilweise anti-deutschen
Rhetorik wieder zum verstärkten Austausch mit Deutschland zu bringen.

Merkel reist auf Einladung von Ministerpräsidentin Beata Szydlo nach
Warschau und will dort Gespräche über die Zukunft der EU nach dem
Brexit sowie über Migration und Sicherheit führen. Sie trifft auch
Präsident Andrzej Duda und den Chef der regierenden Partei Recht und
Gerechtigkeit PiS, Jaroslaw Kaczynski. Nach dem Votum der Briten zum
EU-Austritt will Merkel die anderen 27 Staaten zusammenhalten und
dafür das deutsch-polnische Verhältnis wieder verbessern.

Dieses wurde nach Amtsantritt der Nationalkonservativen 2015 durch
deren massive Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik sowie eine Reihe
anti-demokratischer Reformen strapaziert. Angesichts des EU-Austritts
Englands, das die PiS zum wichtigsten EU-Partner erklärt hatte,
müsste sich aber auch Polen um bessere Beziehungen zu den bleibenden
Partnern bemühen, mahnen polnische Politologen. Sie betonen: Warschau
brauche Berlin für seine Europa-Politk. Trotz Differenzen bei
Migrationsfragen hätten die Länder viele gemeinsame Ansätze, darunter

die kritische Haltung gegenüber Russland.

Seit Ausbruch der Ukraine-Krise fühlt sich Polen von seinem mächtigen
Nachbarn bedroht und setzte sich für eine stärkere Nato-Präsenz ein.

Mit Blick auf die Unberechenbarkeit des neuen US-Präsidenten Donald
Trump und dessen Verhältnis zu Russlands Staatschef Wladimir Putin
mahnte Nietan: «Wir wissen nicht, ob Herr Trump mit Herrn Putin einen
Deal macht - wie Herr Trump das so gerne nennt - und zwar über die
Köpfe der Balten und Polen hinweg.» Trump hatte die Nato als obsolet
bezeichnet und bessere Beziehungen zu Moskau angekündigt.

Würden Polen und Deutschland wieder verstärkt an einem Strang ziehen,
könnten die Länder Krisensituationen in bestimmten Bereichen der
EU-Politik besser bewältigen, sagte Nietan. «Wir erwarten von unseren
polnischen Partnern, dass sie mithelfen, die EU zu stabilisieren, und
sie nicht destabilisieren.» Unter der PiS-Regierung seien gemeinsame
Projekte jedoch zum Stillstand gekommen. Experten vermuten, Merkel
werde deswegen auch mit PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sprechen. Der
umstrittene Rechtspopulist hat zwar kein Staatsamt, gilt aber als
Polens eigentlich mächtigster Mann.

Auch Gespräche mit den Oppositionsparteien Bürgerplattform (PO) und
PSL sowie der deutschen Minderheit sind geplant. Es sei gut, dass
Merkel auch Oppositionsvertreter treffe, sagte Nietan. «Denn, was
nicht geschehen darf ist, dass die polnische Regierung am Ende den
Besuch noch so umdeutet, als sei alles im Lot.»

Die PiS hatte Ende 2015 begonnen, das Verfassungsgericht umzubauen
und die Pressefreiheit einzuschränken. Die EU-Kommission führt ein
Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit,
weil Unabhängigkeit und Kontrollfunktionen untergraben würden. Bisher
hielt sich Merkel mit Kritik an Polens Innenpolitik zurück.