Ende eines langen Weges - Europaparlament billigt Ceta Von Claudia Kornmeier und Alkimos Sartoros, dpa

15.02.2017 15:48

Ceta-Gegner begleiteten die Abstimmung über das Handelsabkommen im
EU-Parlament noch einmal mit allerlei Aktionen. Vergeblich. Am Ende
spielt für die Abgeordneten jemand außerhalb der EU und Kanadas eine

entscheidende Rolle.

Straßburg (dpa) - So recht will Justitia nicht. Die Aktivisten von
Greenpeace haben ihre Mühe damit, die Frauenfigur mit den verbundenen
Augen und der Waage in der Hand aufzurichten. Im Kanal vor dem
Gebäude des Europaparlaments, in dem am Mittwoch über das
Freihandelsabkommen Ceta zwischen der Europäischen Union (EU) und
Kanada abgestimmt wird, soll Justitia als mahnendes Zeichen
schwimmen. Die Umweltorganisation, die zu den Kritikern des Abkommens
zählt, fordert die EU-Abgeordneten damit auf: «Versenkt Ceta, nicht
die Gerechtigkeit».

Die Justitia-Statue macht schließlich mit, die Parlamentarier tun das
allerdings nicht. Sie stimmen am Mittwoch mehrheitlich für Ceta. Die
Warnungen der Gegner vor negativen Folgen für den Verbraucherschutz
sowie Sozial- und Umweltstandards bleiben weitgehend unerhört.

Die Aktion auf dem Kanal ist eine von zahlreichen gegen diese letzte
Entscheidung über das Abkommen auf europäischer Ebene. Wer zu Fuß ins

Parlament kommt, muss am Morgen etwa auch über auf dem Boden liegende
Demonstranten steigen. Sogar der Beginn der Debatte verzögert sich.

Bei der Abstimmung selbst erklären sich einige Reihen zur
«Ceta-freien Zone». Eine Linken-Abgeordnete trägt während der Debat
te
einen Papierstapel im Arm - als Symbol für die 3,5 Millionen
Unterschriften gegen Ceta, die die Kritiker inzwischen gesammelt
haben. Kurz vor der Abstimmung treffen noch einmal einige Hundert
Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude ein; als Europa und Kanada
kostümierte Stelzenläufer laufen auf und ab.

Es sind weitgehend bekannte Bilder - immer wieder sind die Kritiker
in den vergangenen Jahren auf die Straße gegangen. Auch in die
Gerichtssäle wollten sie ihren Protest tragen. So hatten sich mehrere
EU-Abgeordnete fraktionsübergreifend zusammengetan, um den
Europäischen Gerichtshof einzuschalten - ihr Antrag im Parlament
scheiterte aber. In Deutschland steht zwar noch ein endgültiges
Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus - im Eilverfahren waren die
Kläger allerdings auch hier nicht erfolgreich.

Daher: Mit der Zustimmung des EU-Parlaments gelten nun vorläufig die
Teile des Abkommens, für die allein die EU zuständig ist -
voraussichtlich ab April. Für ein vollständiges Inkrafttreten braucht
Ceta noch die Zustimmung in den einzelnen Mitgliedstaaten. Das könnte
noch einmal Jahre dauern. Im EU-Rat hatten die jeweiligen Regierungen
bereits grünes Licht gegeben.

Dass Ceta noch scheitert, glaubt daher selbst die Grünen-Abgeordnete
Ska Keller nicht, die gegen das Abkommen gestimmt hat. Sie hält den
Vertrag trotz einiger Änderungen während der parlamentarischen
Verhandlungen nach wie vor für «das alte schlechte Abkommen».

Neu ist etwa, dass es für Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmen
und Staaten statt privaten Ad-hoc-Schiedsgerichten öffentliche
Investitionsgerichte geben soll. Ihre Arbeit können diese Gerichte
erst aufnehmen, wenn Ceta auch in den Mitgliedstaaten ratifiziert
ist. Die Regelung gehört zu den Teilen des Abkommens, die nicht
vorläufig in Kraft treten werden.

Für etliche der 408 Parlamentarier, die letztlich für Ceta stimmen,
spielt zudem noch eine Rolle, was auf den ersten Blick nichts mit dem
Verhältnis zwischen der EU und Kanada zu tun hat: die Politik des
neuen US-Präsidenten Donald Trump. «In Zeiten von Trump ist es völlig

klar, dass wir Regeln setzen müssen für die Globalisierung», sagt der

SPD-Handelsexperte Bernd Lange. «Damit wirklich das Recht gilt und
nicht die Macht des Stärkeren.»

Auch der Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Fraktion, Manfred
Weber (CSU), meint: «Das ganz große Bild ist, dass wir Donald Trump
haben.» Vor diesem Hintergrund endet die Ceta-Woche am Donnerstag mit
einer Rede des kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau - für
viele der Gegenentwurf zu Trump.