Neuer Kurs in US-Nahostpolitik - Palästinenser wollen eigenen Staat

15.02.2017 17:14

Die USA sehen die Zwei-Staaten-Lösung nur noch als eine der Optionen
im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern an. Washington
will auch keine Vorbedingungen für einen Nahost-Frieden stellen.
Palästinensische Politiker reagieren verärgert.

Washington/Tel Aviv (dpa) - Trotz des pro-israelischen Kursschwenks
der neuen US-Regierung pochen führende Palästinenser im
Nahostkonflikt auf eine Zwei-Staaten-Lösung. Nach Beginn des
Oslo-Friedensprozesses hatten bisher alle US-Regierungen am Konzept
von zwei Staaten in der Region festgehalten, auch die internationale
Gemeinschaft unterstützt das Prinzip. Unmittelbar vor einem Treffen
zwischen US-Präsident Donald Trump und dem israelischen
Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu rückte die neue Regierung
jedoch von dieser Linie ab. US-Medien zitierten einen hochrangigen
Regierungsmitarbeiter in Washington mit der Aussage, Israel und die
Palästinenser sollten sich selbst einigen.

Dies stelle eine «gefährliche Verschiebung» in der US-Position dar,
teilte das palästinensische Außenministerium daraufhin mit. «Wir
werden mit Blick auf diesen möglichen Einbruch in der amerikanischen
Position daran arbeiten, eine breite internationale Front zu bilden,
um die Zwei-Staaten-Lösung zu erhalten.»

Der Vertreter aus dem Weißen Haus erklärte, dass es nicht an den USA
sei, den Parteien die Vision einer Zwei-Staaten-Lösung aufzuzwingen.
Das Ziel Washingtons sei Frieden in Nahost. Wie die beiden Parteien
diesen erzielten, sei ihre Sache. Die USA würden helfend zur Seite
stehen, man werde nicht die Bedingungen eines Friedens diktieren,
hieß es weiter.

Die Bundesregierung und die EU machten deutlich, dass sie an einer
Zwei-Staaten-Lösung festhalten wollen. Regierungssprecher Steffen
Seibert sagte am Mittwoch in Berlin: «Für uns bleiben die Bemühungen

um eine Zwei-Staaten-Lösung der Grundpfeiler unserer Nahost-Politik.»
Ähnlich äußerte sich auch eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten

Federica Mogherini. Auch UN-Generalsekretär António Guterres sagte in
Kairo, es gebe keine Alternative zur Zwei-Staaten-Lösung.

Trump wollte sich am Mittwoch erstmals mit Netanjahu im Weißen Haus
treffen. Er hatte im US-Wahlkampf eine Neuausrichtung der
Nahostpolitik versprochen. So kündigte er die Verlegung der
US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem sowie die Anerkennung
Jerusalems als Hauptstadt Israels an. Auch dies wäre ein rotes Tuch
für die Palästinenser, die Ost-Jerusalem als Hauptstadt für einen
Staat Palästina beanspruchen.

«Diese Art von Gerede wird die Region nur weiter in Aufruhr versetzen
und zu Unruhen führen, weil sie die Möglichkeit, einen
palästinensischen Staat zu schaffen, ausschließt», sagte Wasel Abu
Jussef, ein führendes Mitglied der Palästinensischen
Befreiungsorganisation (PLO), am Mittwoch zur Zwei-Staaten-Debatte.

Vor dem Treffen von Trump und Netanjahu kam CIA-Direktor Mike Pompeo
nach Medienberichten mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in
Ramallah im Westjordanland zusammen. Bei dem Treffen sei es auch um
ein mögliches Scheitern des Friedensprozesses sowie etwaige
Konsequenzen gegangen, berichtete die israelische Zeitung «Haaretz»
unter Berufung auf palästinensische Quellen.

Die Palästinenser hätten dabei beruhigende Signale bezüglich der
Zwei-Staaten-Lösung erhalten. Diese seien nicht im Einklang mit der
späteren Stellungnahme aus dem Weißen Haus gewesen, hieß es in dem
Bericht weiter. Eine offizielle Bestätigung für das Treffen gab es
zunächst nicht. Bereits in der vergangenen Woche hatte der
palästinensische Geheimdienstchef Madschid Faradsch in Washington mit

hochrangigen Sicherheitsvertretern gesprochen. Dieses Treffen wurde
von palästinensischer Seite bestätigt.

Israel hatte 1967 im Sechs-Tage-Krieg unter anderem das
Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Seitdem kontrolliert es das
Gebiet weitgehend. Die Palästinenser wollen dieses Gebiet für einen
unabhängigen Staat Palästina mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. In den
vergangenen Tagen hatten rechts-religiöse Politiker in Israel
Netanjahu verstärkt dazu gedrängt, die Zwei-Staaten-Lösung öffentli
ch
aufzugeben. Der Premier hatte zuletzt von einem entmilitarisierten
Staat für die Palästinenser gesprochen oder von einem «Staat minus»
.
Allerdings blieb zunächst unklar, was das genau bedeutet.

Der US-Kurswechsel setzt nach Ansicht eines Experten Israel unter
Zugzwang. «Ich denke, das ist eine größere Bürde auf den Schultern

Israels», sagte Kobi Michael vom renommierten Institut für
israelische Sicherheitsstudien (INSS). Wenn die USA nicht allein an
der Zwei-Staaten-Lösung festhielten und die Palästinenser jede andere
Lösung ablehnten, müsse Israel nun einen neuen Vorschlag bringen.
«Und es gibt keine Option, dass Israel mit einer Idee kommt, die
nicht irgendwelche eigenen Zugeständnisse fordern wird.»

Die vorerst letzten Friedensgespräche zwischen Israelis und
Palästinensern waren im April 2014 gescheitert. Damals hatte
US-Außenminister John Kerry versucht, zwischen den Parteien zu
vermitteln.