Gutachten: Pkw-Maut EU-rechtswidrig - Dobrindt widerspricht

18.02.2017 15:58

Mit Korrekturen bekommt die Pkw-Maut den juristischen Segen der EU.
So hat es Minister Dobrindt klar gemacht. Dagegen revoltieren aber
manche Nachbarländer. Eine Studie liefert ihnen frische Munition.

Berlin (dpa) - Neue juristische Bedenken heizen den Streit um die
Pkw-Maut wieder an. Laut einem Bundestags-Gutachten verstößt das
Vorhaben gegen EU-Recht - trotz der Änderungen, die Verkehrsminister
Alexander Dobrindt (CSU) mit Brüssel vereinbart hat. Die Kombination
aus der Maut und der geplanten Maut-Entlastung nur für Inländer bei
der Kfz-Steuer bewirke «eine mittelbare Diskriminierung» zu Lasten
ausländischer Fahrer, heißt es in der von den Grünen angeforderten
Studie des Fachbereichs Europa im Parlament. Dobrindt wies die
Zweifel zurück. Die Opposition forderte einen Stopp der Maut.

Für sich genommen seien die Maut und die Steuer-Entlastung für
Inländer nicht diskriminierend, heißt es in der Studie, die der
Deutschen Presse-Agentur sowie «BR Recherche» und «Spiegel Online»

vorliegt. Die gebotene Gesamtbetrachtung spreche aber für eine
unzulässige «Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit»
für
Fahrer aus dem Ausland, die sich auch «nicht auf unionsrechtlich
anerkannte Rechtfertigungsgründe stützen» lasse.

Dobrindt widersprach der Bewertung. «Die Maut kommt. Sie ist gerecht
und europarechtskonform. Das hat auch die EU-Kommission bestätigt»,
sagte der Minister am Freitag. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte,
natürlich müsse man sich bei den anstehenden Beratungen im Bundestag
auch mit der Frage befassen, ob Autofahrer aus Nachbarländern
diskriminiert würden. Er fügte aber hinzu: «Wenn die EU-Kommission
als Hüterin der europäischen Verträge der Auffassung ist, dass das
neue Maut-Modell mit europäischem Recht vereinbar ist, wiegt das
schwer.»

Das Bundeskabinett hatte Ende Januar Änderungen an den seit 2015
geltenden Mautgesetzen auf den Weg gebracht. Sie setzen einen von
Dobrindt und der EU-Kommission gefundenen Kompromiss um, mit dem
Brüssel grünes Licht für die Maut geben will. Verkehrskommissarin
Violeta Bulc hatte anlässlich der Einigung im Dezember erklärt, die
Gesetze «werden nach den angekündigten Änderungen gewährleisten, da
ss
das deutsche Mautsystem mit dem EU-Recht in Einklang steht».

Demnach sollen Inländer mit besonders abgasarmen Euro-6-Autos stärker
per Kfz-Steuer-Senkung für ihre Mautzahlungen entlastet werden - um
jährlich 100 Millionen Euro zusätzlich im Vergleich zu den bisherigen

Plänen. Insgesamt soll kein Inländer zusätzlich belastet werden.

Das neue Gutachten argumentiert, dieses auf eine unmittelbare
Kompensation der Maut für Inländer abstellende System bewirke «eine
Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der an sich gleichermaßen
Infrastrukturabgabepflichtigen». Dies sei auch nicht abweichend zu
bewerten durch die nun geplante, stärker ökologische Ausrichtung der
Steuerentlastung an Schadstoffklassen.

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte: «Egal, was Dobrindt auch
versucht: Die absurde Idee einer Maut, bei der am Ende nur Ausländer
zahlen sollen, ist eine Diskriminierung und verstößt gegen EU-Recht.»

Linke-Fraktionsvize Jan Korte sagte, es sei «eine Frage des gesunden
Menschenverstandes, die Mautpläne jetzt endgültig zu beerdigen». Der

Autofahrerclub ADAC erklärte: «Es bleiben erhebliche europarechtliche

Zweifel an der Maut.» Der österreichische Verkehrsminister Jörg
Leichtfried sagte, das Gutachten zeige, «dass es sich bei den Plänen
um eine reine Ausländer-Maut handelt.» Die Regierung in Wien droht
mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Unterstützung bekam Dobrindt aus seiner CSU. Generalsekretär Andreas
Scheuer sprach von konstruierten Vorwürfen. «Bei so viel fachlicher
Ignoranz muss man die Frage nach dem Sinn des Wissenschaftlichen
Dienstes stellen», sagte er der dpa. CSU-Landesgruppenchefin Gerda
Hasselfeldt sagte der «Passauer Neuen Presse» (Samstag) mit Blick auf
die Position der EU-Kommission: «Die Maut ist sehr wohl
europarechtskonform.»