Die juristisch vertrackte Maut Von Sascha Meyer, dpa

18.02.2017 15:58

Nächste Runde beim Reizthema Maut: Ist das Modell, bei dem unterm
Strich weiterhin nur Fahrer aus dem Ausland draufzahlen sollen,
EU-konform? Nach dem wichtigen Ja aus Brüssel gibt es neuen Wirbel.

Berlin (dpa) - Dass es einfach ist mit der Pkw-Maut, würde auch
Alexander Dobrindt nicht im Traum behaupten. Viel zu vertrackt ist
allein schon die Konstruktion, mit der das Prestigeprojekt seiner CSU
überhaupt im schwarz-roten Koalitionsvertrag landete. Eine Maut, die
alle zahlen, die aber am Ende nur Fahrer aus dem Ausland zusätzlich
belastet - ohne diese damit zu benachteiligen. Trotz aller Unkenrufe
sicherte sich der Bundesverkehrsminister im Advent grünes Licht der
EU-Kommission für ein leicht geändertes Modell. Bedenken, ob die Maut
wirklich juristisch wasserdicht ist, blieben aber.

Zentraler Streitpunkt ist wieder und wieder, dass allein inländische
Autobesitzer für ihre Maut-Zahlungen entlastet werden sollen - und
zwar durch eine niedrigere Kfz-Steuer. Die schon seit 2015 geltenden
Maut-Gesetze, die vorerst nicht umgesetzt werden, sehen im Prinzip
eine Eins-zu-eins-Kompensation vor: Die Kfz-Steuer geht auf den Cent
genau um denselben Betrag runter, der der Maut entspricht.

Die EU-Kommission, die über Gleichbehandlung aller Europäer wacht,
ging dagegen zunächst auf die Barrikaden. Im Dezember verständigte
sich Dobrindt aber mit Brüssel auf einen Kompromiss: Im Kern sollen
Maut und Steuerentlastung durch einen stärkeren Ökofaktor rechtlich
weiter auseinandergerückt werden - indem abgasarme Euro-6-Autos bei
der Steuer um zusätzliche 100 Millionen Euro jährlich begünstigt
werden. Damit seien beide Elemente voneinander entkoppelt worden,
bilanzierte EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc zufrieden.

Die Behörde erntete dafür auch Kritik. Eine Eins-zu-eins-Kompensation
der Maut habe sie abgelehnt, finde «irrsinnigerweise jedoch nichts
dabei, wenn deutsche Fahrer jetzt durch Steuersenkungen sogar
überkompensiert werden sollen», staunte EU-Verkehrspolitiker Michael
Cramer (Grüne) schon damals. Tatsächlich hat das geänderte Modell zur

Folge, dass Inländer insgesamt sogar stärker entlastet werden.

Für Dobrindt ist das Euro-Siegel dennoch ein Pfund. «Die Maut kommt»,

stellt er am Freitag nüchtern fest. Da hat gerade ein neues Gutachten
von Europa-Experten des Bundestags im Auftrag der Grünen für Wirbel
gesorgt. Fazit: Die Kombination aus Maut und Steuersenkung bewirke
auch mit den Änderungen eine «mittelbare Diskriminierung» zu Lasten
ausländischer Fahrer. «Es gibt keine diskriminierungsfreie
Diskriminierung», resümiert Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer.

Welche politische Dynamik sich daraus noch entfaltet, muss sich
zeigen. Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried, der sich um
eine Nachbarländer-Allianz gegen die deutsche Maut bemüht, sieht sich
bestärkt. Für Dobrindts Koalitionspartner SPD gibt Fraktionsvize
Sören Bartol aber zu bedenken, dass die Auffassung der Kommission als
Hüterin der EU-Verträge schwer wiege. Um mehr Klarheit will sich der
Bundestags-Verkehrsausschuss bemühen, wie der Vorsitzende Martin
Burkert (SPD) ankündigt: bei einer Expertenanhörung am 20. März.