Griechenland und weitere Sorgen - kommt der Euro ins Schlingern? Von Alkimos Sartoros, dpa

20.02.2017 20:33

In Frankreich, in den Niederlanden machen Rechtspopulisten gegen den
Euro Stimmung. Und ausgerechnet jetzt kocht die griechische
Schuldenkrise wieder hoch. Doch die Euro-Finanzminister verzeichnen
wichtige Fortschritte.

Brüssel (dpa) - Droht wieder ein heißer Griechenland-Sommer? Die
Verhandlungen zwischen den internationalen Geldgebern und der
griechischen Regierung über die weitere Umsetzung des Spar- und
Reformprogramms gingen zuletzt nicht recht voran. In Europa bringen
sich derzeit Euro-Gegner vor nahenden Wahlen in Stellung. Eskaliert
die Situation in dem hoch verschuldeten Land wieder, wäre das Wasser
auf ihre Mühlen. Beim Treffen der Euro-Finanzminister gelingt nun ein
wichtiger erster Schritt. Ein Überblick.

Wie ist der Stand der Verhandlungen zwischen Griechenland und den
Institutionen?

Im Kern geht es um die Fortsetzung des dritten Hilfsprogramms für
Griechenland, das im Sommer 2015 beschlossen wurde. Im Gegenzug für
Finanzhilfen von bis zu 86 Milliarden Euro verpflichtete sich
Griechenland schrittweise eine Reihe an Spar- und Reformmaßnahmen
umzusetzen. Ergänzungen - unter anderem für die Zeit nach Ende des
Programms Mitte 2018 - wurden im Grundsatz im Mai 2016 festgezurrt.

Woran hakte es zuletzt?

Griechenland hat nach Einschätzung etlicher Experten - etwa der
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) - bereits erhebliche Reformschritte vollzogen. Problematisch
für das Links-Rechts-Bündnis in Athen ist unter anderem eine
angepeilte Liberalisierung des Arbeitsmarkts, mit der etwa
Kündigungen erleichtert und Streiks erschwert würden. Kern des
Problems sind allerdings vor allem die mittelfristigen
Wirtschaftsaussichten und das weitere Vorgehen nach Ende des
laufenden Programms 2018.

Worüber streiten die Institutionen?

Hier geht es in erster Linie um die Einschätzung, ob und wie
Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Im Mai 2016
hatten die Euro-Finanzminister erklärt, Athen müsse den
Primärüberschuss - die Haushaltsbilanz ohne Schuldendienst -
«mittelfristig» bei 3,5 Prozent halten. Der IWF hält das für
wirtschaftlich unsinnig. Demnach wären dafür weitere
Sparanstrengungen notwendig, die dem Wirtschaftswachstum schaden
könnten. Um es zu erreichen müssten demnach zusätzliche Sparmaßnahm
en
in Höhe von etwa 3,6 Milliarden Euro jährlich implementiert werden.
Mit Athen wurde etwa diskutiert, deswegen den jährlichen steuerfreien
Betrag zu senken und die Renten weiter zu kürzen.

Im Umkehrschluss könnte dadurch der griechische Schuldenberg, der
derzeit nach IWF-Berechnungen bei rund 183 Prozent der
Wirtschaftsleistung liegt, verhältnismäßig weiter steigen. Der Fonds

plädiert daher für Schuldenerleichterungen und zögert seine
Entscheidung über eine finanzielle Beteiligung an weiteren
Griechenland-Krediten ebenfalls hinaus.

Was hat das Treffen der Euro-Finanzminister nun ergeben?

In erster Linie haben sich alle Seiten darauf verständigt, dass
Vertreter der internationalen Institutionen (IWF, EU-Kommission,
Europäische Zentralbank EZB, Europäischer Stabilitätsmechanismus ESM)

nach Athen zurückkehren sollen, um mit den griechischen Behörden eine
Reihe von Reformen voranzubringen - vor allem zum Rente- und
Steuersystem und dem Arbeitsmarkt. Eurogruppen-Chef Jeroen
Dijsselbloem spricht in dem Zusammenhang von einem neuen Fokus, weg
von Sparpolitik, hin zu mehr Strukturreformen und Wachstum.

Sobald auf Arbeitsebene dazu eine Einigung besteht, könnten die
Euro-Finanzminister letztlich über weitere Auszahlungen an
Griechenland beraten. Bis dahin dürften aber noch mindestens einige
Wochen vergehen.

Wie sieht die Lage in Athen aus?

Die griechischen Bürger sind verzweifelt. In den vergangenen Jahren
sind ihre Löhne, Gehälter und Renten bereits um hohe zweistellige
Prozentsätze gekürzt worden. Zum 1. Januar traten neue indirekte
Steuern und eine Erhöhung der Einkommenssteuer in Kraft. Tsipras, der
im Januar 2015 als radikaler Sparkurs-Gegner gewählt wurde, steht
nach einer Reihe unpopulärer Maßnahmen bereits politisch mit dem
Rücken zur Wand. Die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia
(ND) liegt in Umfragen um bis zu 12 Prozentpunkte vorn. Innerhalb der
Syriza-Partei des Regierungschefs gibt es dem Vernehmen nach
unterschiedliche Ansichten über das weitere Vorgehen.

Warum wäre eine Zuspitzung der Lage gefährlich?

Im Sommer muss Griechenland Kredite in Milliardenhöhe zurückzahlen,
die es aus eigener Kraft nicht stemmen könnte. In einer Reihe an
europäischen Ländern bringen sich außerdem EU- und Eurogegner in
Stellung - allen voran Marine Le Pen in Frankreich. Die Chefin der
rechten Front National und Präsidentschaftskandidatin tritt für die
Wiedereinführung einer nationalen Währung ein. Zuletzt erklärte sie,

dass sie nach ihrem potenziellen Wahlsieg im Mai eine Volksabstimmung
über das Wiedererlangen der Oberhoheit über Währung, Gesetzgebung
oder die Wirtschaft abhalten wolle. Danach würden ihre Landsleute
«neue Francs» in der Tasche haben. Die Politikerin gilt als Favoritin
für die erste Runde der Präsidentenwahl - im entscheidenden Duell im

Mai werden allerdings Emmanuel Macron zur Zeit die größten Chancen
eingeräumt.

Wo gibt es noch Probleme?

In knapp einem Monat wird in den Niederlanden gewählt - und auch hier
droht Ungemach. Der Euro-Gegner und Chef der Partei für die Freiheit
(PVV), Geert Wilders, tritt mit der Forderung an, «die Niederlande
den Niederländern» zurückzugeben. Wilders' rechtspopulistische und
islamfeindliche PVV kann laut Umfragen damit rechnen, stärkste Partei
des Landes zu werden. Die Niederlande verzeichneten zuletzt aber
deutliches Wirtschaftswachstum - vor allem wegen eines starken
Exports in die EU.