Die «Agenda von Rom» - und andere Visionen für die EU

23.03.2017 06:00

Brüssel/Rom (dpa) - Seit dem Brexit-Schock im vergangenen Jahr brütet
die Europäische Union über ihre Zukunft. Beim Sondergipfel in Rom
wollen die 27 bleibenden EU-Staaten am Wochenende in einer Erklärung
ein Signal der Geschlossenheit setzen und einen Ausblick auf die
kommenden zehn Jahre geben. Daneben sind diverse Reformideen in der
Diskussion. Ein Überblick:

- AGENDA VON ROM: Das kurze Papier - im Entwurf zwei Seiten - ist
sehr allgemein gehalten. Es feiert die Errungenschaften der
Europäischen Union seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge vor

60 Jahren: Frieden, Freiheit, Demokratie, Menschenrechte,
Rechtsstaat, Wohlstand. Angesichts neuer globaler Herausforderungen
wird gelobt, dass die EU auch in zehn Jahren sicher, wohlhabend,
wettbewerbsfähig, nachhaltig und sozial sein soll. Man wünscht sich
eine größere Rolle in der Welt. Beteuert wird im Entwurf die enge
Zusammenarbeit und das Bemühen um einen «effizienteren und
transparenteren Entscheidungsprozess». «Wir geloben, auf die von
Bürgern geäußerten Bedenken zu hören und zu reagieren», heißt e
s.

Über zwei Punkte gab es vorab Streit: Das «Europa der verschiedenen
Geschwindigkeiten», das Deutschland und andere wollen, wird nach
Bedenken der östlichen EU-Partner im Entwurf nur in weichen
Formulierungen erwähnt: «Wir handeln gemeinsam, wenn nötig
unterschiedlich in Tempo und Intensität, und bewegen uns dabei in
dieselbe Richtung.» Einen Vorbehalt gegen die Erklärung hatte Anfang
der Woche zudem Griechenland, das an einer sozialen Ausrichtung der
Gemeinschaft festhalten wollte. EU-Diplomaten gingen aber davon aus,
dass sich in Rom letztlich alle Staats- und Regierungschefs feierlich
hinter die Erklärung stellen.

- WEIßBUCH DER EU-KOMMISSION: Konkreter als die Erklärung von Rom
sind die fünf Visionen für die EU, die EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker in einem sogenannten Weißbuch beschrieben hat.
Auch für ihn ist das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten eine
Option. Die übrigen Varianten: ein «Weiter so wie bisher»; ein reiner

Binnenmarkt mit Rückbau der politischen und gesellschaftlichen
Aspekte der EU; das Szenario «Weniger, aber effizienter» würde
bedeuten, dass Brüssel nur in bestimmten Politikfeldern, aber dann
entscheidend mitbestimmt. Die weitreichendste Variante heißt bei
Juncker «Viel mehr gemeinsames Handeln» auf EU-Ebene.

- EUROPAPARLAMENT: Die Mehrheit des EU-Parlaments billigte im Februar
drei Berichte mit teils radikalen Reformvorschlägen. Am weitesten
geht der belgische Liberale Guy Verhofstadt mit Plänen für
«Vereinigte Staaten von Europa». Er will den Umbau der EU-Kommission
zur «Regierung der Union» und statt diverser Räte eine zweite
Parlamentskammer mit Vertretern der Mitgliedsländer. Zur Umsetzung
müssten die EU-Verträge geändert werden. Ohne Vertragsänderung lie
ßen
sich Ideen des CDU-Abgeordneten Elmar Brok verwirklichen. Auch er
will den Rat in eine «wirkliche Gesetzgebungskammer» umwandeln; auch
er will einen «EU-Finanzminister». Der dritte Bericht plädiert für

eine weitere Angleichung der Bedingungen in der Eurozone.