«Schnaps und Frauen»-Spruch bringt Eurogruppenchef in die Kritik

22.03.2017 18:58

«Bitterböse Beleidigung», «dumm», «rassistisch»? Eurogruppenc
hef
Dijsselbloem empört mit einem klischeebelasteten Vergleich
südeuropäische Länder. Manch einer erkennt darin allerdings schlicht

Neid auf «La Dolce Vita» und lacht über die Trübsal im Norden.

Rom/Brüssel (dpa) - Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem hat mit einer
abfälligen Bemerkung in südeuropäischen Ländern einen Sturm der
Entrüstung und Rücktrittsforderungen ausgelöst. Der Niederländer
hatte in einem Interview der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»
(Montag) zur Hilfe für EU-Krisenländer gesagt: «Als Sozialdemokrat
halte ich Solidarität für äußerst wichtig. Aber wer sie einfordert,

hat auch Pflichten. Ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und
Frauen ausgeben und anschließend Sie um Ihre Unterstützung bitten.»

Selbst EU-Kommissarin Margrethe Vestager ging am Mittwoch auf
Distanz. «Ich hätte das nicht gesagt und ich halte es für falsch»,

sagte sie in Brüssel. Dijsselbloem selbst reagierte erschrocken,
lehnte aber einen Rücktritt ab. Er erklärte die umstrittene Bemerkung
mit seiner «holländischen Direktheit», die nicht immer geschätzt un
d
verstanden werde. «Ich bedaure es, wenn sich jemand durch
diese Bemerkung angegriffen fühlt», sagte der niederländische
Finanzminister. Er habe jedoch «nicht die Absicht zurückzutreten».

Nach dem Interview hatten vor allem südeuropäische Politiker empört
reagiert und seinen Rücktritt gefordert. Italiens ehemaliger
Premierminister Matteo Renzi schrieb er am Mittwoch auf
Facebook: «Leute wie Dijsselbloem (...) verdienen nicht die Rolle,
die sie einnehmen.» Je eher er zurücktrete, desto besser sei es. Die
Bemerkung des 50 Jahre alten Eurogruppenchefs nannte er «dumm».

Spanische Politiker bezeichneten die Aussage als «rassistisch und
machohaft». Der Sprecher der griechischen Regierung sagte, die
Aussage vertiefe den Graben zwischen Nord- und Südeuropa weiter. Auch
die Grünen im EU-Parlament sprachen von einer «bitterbösen
Beleidigung», die die EU spalte. Ex-EU-Kommissionspräsident Romano
Prodi scherzte, er könne ein wenig Neid in Dijsselbloems Zitat
erkennen.

Dijsselbloem wies die Kritik zurück. Er habe allgemein über die
Solidarität in der Eurozone gesprochen und nicht bestimmte Länder
kritisiert. Im Europäischen Parlament hatte er bereits am Vortag
Forderungen nach einer Entschuldigung zurückgewiesen.

Die Bundesregierung hielt sich mit Kommentaren zurück. Finanzminister
Wolfgang Schäuble (CDU) schätze die Arbeit Dijsselbloems als Chef der
Eurogruppe sehr, sagte eine Sprecherin in Berlin. Es werde auch für
die nächsten Treffen von einem «voll handlungsfähigen»
Eurogruppenvorsitz ausgegangen. Auch Regierungssprecher Steffen
Seibert wollte sich nicht konkret äußern. Er kenne das Interview
nicht im Wortlaut und nicht in der vollen Fassung, sagte er.

Doch andernorts rollte der Proteststurm weiter: Der
Fraktionsvorsitzende der Sozialisten im Europaparlament, der
Italiener Gianni Pittella, nannte die Aussagen beschämend. «Ich frage
mich wirklich, ob eine Person mit dieser Überzeugung immer noch für
fähig gehalten wird, das Amt des Eurogruppenchefs auszuüben.»

Manfred Weber, Vizechef der CSU und Fraktionschef der Europäischen
Volkspartei (EVP) im Europaparlament, twitterte: «In der Eurozone
geht es um Verantwortung, Solidarität aber auch um Respekt. Kein
Platz für Stereotype.» Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos
sagte, er sei sich sicher, dass Dijsselbloem seine Worte bereue. De
Guindos gilt als möglicher Kandidat für dessen Nachfolge.

Dijsselbloem ist bis Januar 2018 als Eurogruppenchef gewählt. Weil
seine sozialdemokratische Partei bei der Parlamentswahl in den
Niederlanden eine heftige Niederlage erlitt, wird er wohl einer
künftigen Regierung nicht mehr angehören. Zumindest übergangsweise
will er dennoch an der Spitze der Eurogruppe bleiben. Bei einer
Sitzung des Gremiums am Montag hatten ihn Kollegen noch
überschwänglich gelobt, auch Bundesfinanzminister Schäuble.

In Griechenland nahmen viele Menschen die Aussagen mit Humor. Dieser
Mann kenne einfach keinen Spaß, hieß es in Sozialen Netzwerken. «Se
in
ganzes Leben ist ein einziger verregneter griechischer
Dienstagabend!» Oder auch: «Sorry, dass wir stattdessen nicht in
Kartoffelschäler investiert haben» und noch dazu: «Nicht nur Alkohol

und Frauen - ich hab auch Drogen gekauft!»