Barnier bietet Großbritannien neuartiges Freihandelsabkommen an

22.03.2017 18:48

Ab nächster Woche tickt die Uhr für die Verhandlungen über den
Brexit. EU-Unterhändler Barnier rammt die ersten Pflöcke ein.

Brüssel (dpa) - EU-Unterhändler Michel Barnier hat Großbritannien
nach dem Brexit ein völlig neuartiges Freihandelsabkommen in Aussicht
gestellt. «Es wird anders als alle anderen Abkommen», sagte Barnier
am Mittwoch in Brüssel. Zunächst müssten aber möglichst rasch die
Bedingungen des EU-Austritts geklärt werden. Dabei müsse London zu
seinen finanziellen Pflichten stehen, forderte er.

Die britische Regierung hat für kommende Woche das offizielle Gesuch
zum Austritt aus der EU angekündigt. Dann beginnt eine zweijährige
Frist für Verhandlungen. Britische Politiker hatten spekuliert, dass
das Land die EU ohne Einigung verlassen könnte und dann auch keine
finanziellen Pflichten mehr hätte. Davor warnte Barnier aber
dringend.

Bei einem ungeordneten EU-Austritt wären die ohnehin weitreichenden
Folgen noch schwerwiegender, sagte der EU-Chefunterhändler, der sich
erstmals seit Monaten öffentlich zum Stand der Brexit-Vorbereitungen
äußerte. So wären EU-Bürger in Großbritannien und Briten auf dem

Kontinent - insgesamt mehr als vier Millionen Menschen - bei einem
ungeregelten Ausscheiden «völliger Ungewissheit ausgeliefert». Auch
gäbe es unter anderem große Probleme für Wirtschaft und Handel.

«Dieses Szenario möchten wir nicht, wir wünschen uns ein Abkommen»,

sagte Barnier. «Wir möchten erfolgreich sein, nicht gegen die Briten,
sondern mit den Briten.» Je schneller man sich auf die Bedingungen
der Trennung einige, desto schneller ließen sich die künftigen
Beziehungen besprechen. Die Linie der EU beschrieb er so: «Wir werden
entschieden sein, wir werden freundlich sein, wir werden niemals naiv
sein.»

Zu den Knackpunkten zählte Barnier die Finanzen. Nach internen
Berechnungen der EU könnten auf Großbritannien noch Zahlungen von bis
zu 60 Milliarden Euro zukommen. Dabei geht es um finanzielle
Verpflichtungen aus der mehr als 40-jährigen Mitgliedschaft unter
anderem für den EU-Haushalt, EU-Fonds und Beamtenpensionen. «Jedes
Land muss seine Zusagen gegenüber anderen einhalten», sagte der
Unterhändler.

Vor allem aber müssten die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien und

der Briten in der EU rasch geklärt werden. «Das wird von Anfang an
unsere oberste Priorität sein», sagte Barnier. Dabei geht es unter
anderem um Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis, Krankenversicherung und
Renten. Als drittes Kernthema der Verhandlungen nannte er die
künftige Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen
Nordirland.

Zu dem in Aussicht gestellten Freihandelsabkommen, das sich auch
Großbritannien wünscht, sagte Barnier inhaltlich noch wenig. Doch
betonte er, Nachteile durch die künftig nicht mehr einheitlichen
Vorgaben beider Partner seien zu vermeiden. «Unterschiedliche Regeln
dürfen nicht zu Dumping führen», warnte er.