Griechenland fordert mehr EU-Hilfe in der Flüchtlingskrise

23.03.2017 04:30

Seit einem Jahr gibt es den Flüchtlingspakt zwischen EU und Türkei.
Die Fluchtroute über die Ägäis und den Balkan ist seitdem fast dicht.

Es gibt aber Befürchtungen, dass das nicht so bleibt.

Athen (dpa) - Griechenland fordert mehr Unterstützung der EU in der
Flüchtlingskrise. «Die meisten europäischen Länder nehmen uns viel
zu
wenige Flüchtlinge ab und die Unterstützung bei der Bearbeitung der
Asylverfahren ist nur ein Bruchteil dessen, was versprochen wurde»,
sagte Außenminister Nikos Kotzias der «Welt» vor einem Treffen mit
seinem deutschen Kollegen Sigmar Gabriel am Donnerstag in Athen.

Er warnte auch davor, dass die Zahl der aus der Türkei in die
EU kommenden Flüchtlinge wieder zunehmen könne. «Aber eine neue
Flüchtlingswelle in diesem Sommer würde uns überfordern. Griechenland

ist am äußersten Limit seiner Möglichkeiten.»

Griechenland ist das EU-Land, für das der vor einem Jahr
abgeschlossene Flüchtlingspakt mit der Türkei die größte Bedeutung

hat. Über die Ägäis waren noch Anfang vergangenen Jahres jeden Monat

Zehntausende Flüchtlinge nach Griechenland gekommen. In diesem Jahr
waren es bis Mitte März insgesamt nur noch 3000. In Athen befürchtet
man nun, dass es wegen des Streits über Wahlkampfauftritte türkischer
Politiker in der EU zu einer Aufkündigung des Paktes durch Ankara
kommen könnte.

Gabriel war am Mittwochabend zu seinem Antrittsbesuch in Athen
eingetroffen und sprach zuerst mit Ministerpräsident Alexis Tsipras.
Dabei zollte er der griechischen Regierung Respekt für ihre
Reformbemühungen. «Verglichen mit Griechenland waren diese Reformen,
die wir gemacht haben, vielleicht ein lauer Sommerwind», sagte der
SPD-Politiker mit Blick auf die Agenda 2010, die vom
sozialdemokratischen Kanzler Gerhard Schröder konzipiert wurde. Die
griechischen Anstrengungen zur Bewältigung der Schuldenkrise seien
dagegen «wie ein großer Sturm».

Ein Kernpunkt der Agenda 2010 ist die innerhalb der SPD hoch
umstrittene Sozialhilfe Hartz IV. Der SPD-Kanzlerkandidat und neue
Parteichef Martin Schulz will mit Vorschlägen zur Entschärfung von
Schröders Reformagenda in den Wahlkampf ziehen und unter anderem
länger Arbeitslosengeld auszahlen.

Gabriel forderte Tsipras dazu auf, die Verhandlungen mit den
Gläubigern über neue Reformschritte im April abzuschließen. Man dür
fe
nicht zu einer neuen «never ending story» (endlosen Geschichte)
kommen, sagte er. Griechenland hängt mittlerweile seit knapp sieben
Jahren am Tropf der Gläubiger, die tiefgreifende Sparmaßnahmen
fordern. Die Griechen haben seit Ausbruch der Finanzkrise etwa ein
Viertel ihres Einkommens verloren.  

Für Gabriel ist Athen die sechste Hauptstadt in der Europäischen
Union, die er seit seinem Amtsantritt Ende Januar besucht. Am
Donnerstag trifft er neben Kotzias auch Staatspräsident Prokopis
Pavlopoulos.