Spediteure fordern 100 Millionen Euro Schadenersatz wegen Lkw-Kartell

23.03.2017 16:39

Im vergangenen Sommer verhängte die EU-Kommission eine
Milliardenstrafe über fünf Lkw-Bauer wegen jahrelanger Absprachen.
Jetzt haben sich Spediteure zusammengetan, um in einer ersten höheren
Forderung Schadenersatz herauszuschlagen.

Stuttgart/Brüssel (dpa) - Mehr als 200 mittelständische Spediteure
haben eine millionenschwere Schadenersatzforderung gegen die
Beteiligten des von der EU aufgedeckten Lkw-Kartells gerichtet. Die
Spediteure wollen rund 100 Millionen Euro von Daimler, MAN und
anderen Herstellern. «Wir hoffen, unsere Forderung nicht erst
gerichtlich durchsetzen zu müssen», sagte Kay Espey, Erster
Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Wettbewerbs in der
Speditionsbranche, der die Forderungen gebündelt hat. «Sollte es
jedoch keine angemessene Lösung geben, scheuen wir nicht den
Rechtsweg.» Die Forderung soll an diesem Freitag bei den Herstellern
eingehen. Auch die «Wirtschaftswoche» berichtete über den Fall.

Die EU-Kommission hatte im vergangenen Sommer Geldbußen verhängt,
weil Lkw-Hersteller über 14 Jahre hinweg unter anderem Verkaufspreise
für Lastkraftwagen abgesprochen hatten. Daimler, Iveco, DAF und
Volvo/Renault wurden zu einer Rekordstrafe von knapp 2,93 Milliarden
Euro verdonnert. Gegen die ebenfalls verdächtigte schwedische
VW-Tochter Scania liefen die Ermittlungen weiter, weil das
Unternehmen den Vergleich ablehnte. Die Münchner VW-Tochter MAN kam
als Hinweisgeber straffrei davon, was sie allerdings nicht vor
Schadenersatzforderungen schützt.

Die betroffene Spediteure betreiben den Angaben zufolge gemeinsam
rund 9000 Fahrzeuge, die sie in dem fraglichen Zeitraum von 1997 bis
2011 gekauft haben. Um ihre Forderung zu untermauern, haben sie ein
Gutachten erstellen lassen, das belegen soll, dass die Preise durch
Absprachen zwischen den Herstellern im Schnitt um 15 Prozent zu hoch
angesetzt waren.

Daimler widerspricht dem Vorwurf der Preisabsprachen und teilte auf
Anfrage mit, man prüfe jedes Schadensersatzverlangen sorgfältig und
werde sich entschieden gegen unberechtigte Forderungen verteidigen.
Die bislang genannten angeblichen Schadenshöhen seien aber völlig
überzogen und durch nichts belegt, so eine Sprecherin. Die EU habe zu
einem Schaden von LKW-Käufern nichts festgestellt, sondern den
Herstellern lediglich den Informationsaustausch über sogenannte
Bruttolistenpreise, nicht aber die gemeinsame Festsetzung von Preisen
vorgeworfen.

Der Lastwagen-Hersteller MAN kommentiert angekündigte oder anhängige

Klagen nicht. Ein Sprecher verwies auf den Geschäftsbericht. Danach
geht MAN nicht davon aus, dass die Schadenersatzklagen im
Zusammenhang mit dem von der EU-Kommission beanstandeten Lkw-Kartell
wesentliche negative Auswirkungen auf MAN haben - und hat daher auch
keine Rückstellungen dafür gebildet.

Dennoch gingen vor dem Landgericht Stuttgart Anfang des Jahres erste
Schadenersatzklagen gegen die Beteiligten des Lastwagen-Kartells ein.
Sie stammen von Kommunen und kleineren Speditionen. Die geforderten
üblichen Streitwerte lägen im sechs- bis siebenstelligen
Euro-Bereich. Der Wert betrage 2,9 Millionen Euro, so ein Sprecher
des Landgerichts. Der Städtetag und andere kommunale Spitzenverbände
hatten empfohlen, Klagen bis zum 19. Januar einzureichen, weil sie
Verjährung fürchten. Doch das Datum ist umstritten.

Eine weitaus größere Klagewelle könnte deshalb erst noch anrollen.
Wie beim VW-Abgasskandal versuchen große Kanzleien Klagen mit hohen
Schadenssummen zu bündeln und daraus Geschäft zu schlagen.
Christopher Rother von der Kanzlei Hausfeld hat nach eigenen Angaben
bereits Klagen eingesammelt, die mehr als 200 000 Lkw betreffen.
Rother will aber noch die Veröffentlichung der Entscheidung der
EU-Kommission abwarten. Die erfolgreiche Durchsetzung von
Schadensersatzansprüchen setze zudem ein belastbares Gutachten
voraus. «Schnellschüsse helfen hier nach unserer Einschätzung nicht
weiter, zumal ja vorerst keine Verjährung droht.»