Jubiläum in Krisenzeiten: Papst redet EU ins Gewissen

24.03.2017 20:05

Nicht nur zum Feiern sind die Staats- und Regierungschefs der EU nach
Rom gekommen. Es geht vor allem darum, Wege aus den vielfältigen
Krisen zu finden. Der Papst spricht den manchmal verzagten EU-Größen
Mut zu.

Rom (dpa) - Zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge hat Papst
Franziskus die Europäische Union eindringlich zu Solidarität und
Zusammenhalt aufgerufen. Bei einer Audienz für die Staats- und
Regierungschefs der EU im Vatikan sagte der Papst am Freitagabend,
Solidarität sei das wirksamste Heilmittel gegen die modernen Formen
des Populismus. Am Samstag feiern die 27 EU-Mitglieder  - ohne das
abtrünnige Großbritannien - in der italienischen Hauptstadt die
Unterzeichnung der Verträge von 1957, die zur Grundlage für die
Europäische Union wurden.

Bei der Papst-Audienz waren neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und
den 26 anderen «Chefs» auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude
Juncker und weitere EU-Spitzen dabei. «Sechzig Jahre später nach Rom

zurückzukehren darf nicht bloß eine Reise in die Erinnerungen sein»,

mahnte Franziskus. Die Gründungsideale der Europäischen Union dürften

nicht auf wirtschaftliche und finanzielle Erfordernisse reduziert
werden. «Solidarität ist nicht ein guter Vorsatz. Sie ist
gekennzeichnet durch konkrete Taten», mahnte der Papst.

Immerhin geht die EU der 27 geschlossen in den Jubiläumsgipfel. Auch
Polen stimmte der geplanten Erklärung zur Zukunft der Union zu. Die
polnischen Forderungen seien erfüllt worden, sagte
Ministerpräsidentin Beata Szydlo vor ihrem Abflug nach Rom. 

Auch Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras sagte vorab zu, das
Abschlussdokument mitzutragen. Sein Land sei berechtigt, klar und
deutlich zu erfahren, ob die sozialen Errungenschaften der EU auch
für Griechenland gültig seien, schrieb er an EU-Kommissionschef
Jean-Claude Juncker. Das Land und seine Gläubiger ringen um
Arbeitsmarktreformen.

Juncker erklärte, natürlich würden europäische Sozialstandards auch

für Griechenland gelten. Er rief aber zu einer raschen Einigung der
Athener Regierung mit den Gläubigern noch vor dem Treffen der
Euro-Finanzminister am 7. April auf.

Merkel betonte die wichtige Rolle der EU bei der Bewältigung von
künftigen Herausforderungen: «Einzelne Mitgliedstaaten haben
natürlich unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie wir die Zukunft
gestalten, aber der Weg insgesamt ist klar: Mehr Zusammenarbeit» -
unter anderem bei der Verteidigungspolitik, beim Schutz der
Außengrenzen, bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus,
sagte sie der «Passauer Neuen Presse» und dem «Donaukurier»
(Freitag). 

Die Sicherheitskräfte in Rom sind vor dem Treffen in höchster
Alarmbereitschaft. Zu vier Demonstrationszügen und mehreren
Kundgebungen von EU-Gegnern und -Befürwortern werden am Samstag bis
zu 30 000 Menschen erwartet. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich
gewaltbereite Mitglieder des sogenannten Schwarzen Blocks aus dem In-
und Ausland darunter mischten, hieß es bei der Polizei in Rom. Nach
dem Anschlag von London wurde das Konzept noch einmal überarbeitet.

In Berlin brach unmittelbar vor dem Gipfel ein offener Streit über
die deutschen Zahlungen an Brüssel aus. Finanzminister Wolfgang
Schäuble (CDU) reagierte verärgert auf die Forderung seines
Kabinettskollegen Sigmar Gabriel, Deutschland solle mehr Geld in die
EU-Kasse überweisen. Dieser hatte in einem Beitrag für die
«Frankfurter Allgemeinen Zeitung» argumentiert, Deutschland
profitiere am Ende von diesen Zahlungen, weil 60 Prozent der
deutschen Waren in EU-Länder exportiert würden. Vor allem in Richtung

Griechenland sende der SPD-Außenminister damit «eine ganz falsche
Botschaft», sagte Schäuble im Deutschlandfunk.