50 Jahre nach dem Putsch der Obristen in Griechenland Von Takis Tsafos, dpa

20.04.2017 06:50

Verschwörung, Putsch und Diktatur: Vor genau fünf Jahrzehnten hat
eine Gruppe von Militärs die Demokratie in ihrem Geburtsort
Griechenland mit einem Staatsstreich außer Kraft gesetzt. Die Folgen
sind bis heute zu spüren.

Athen (dpa) - 21. April 1967. Es ist ein Tag, den viele ältere
Griechen nicht vergessen werden, solange sie leben. Mitten in der
Nacht bebte die Erde: Überall wurden Panzer gesichtet. Bewaffnete
Soldaten, Offiziere mit der Pistole in der Hand patrouillierten auf
den Straßen. «Sofort rein ins Haus, los jetzt, jetzt», schrien die
jungen Offiziere, wenn sie Passanten auf der Straße sahen. Manchmal
wurden sogar ein paar Schüsse in die Luft abgefeuert. ««Praxikópi
ma»
(Staatsstreich)», hieß es überall. Aber wer steckt dahinter, fragten

sich die Menschen.

Es dauerte nicht lange, da ertönte im Radio Marschmusik. Und dann
immer wieder die Bekanntmachung: «Die Streitkräfte des Landes haben
die Macht übernommen», sagte ein Ansager mit metallisch klingender
Stimme. Grund: Es lauerten angeblich Gefahren für die Sicherheit des
Landes. Innere Feinde seien am Werk. Mehrere Verfassungsartikel
wurden ausgesetzt, Parteien verboten, Versammlungen mit mehr als drei
Personen untersagt, Zeitungen zensiert und eine Ausgangssperre für
die ersten Tage verhängt. «Wer sich nicht daran hält, muss wissen: Es

wird sofort und ohne Vorwarnung geschossen», hieß es im Radio immer
wieder.    

Linke und Politiker aus fast allen Parteien wurden in den Tagen,
Monaten und Jahren danach von Sonderkommandos in ihren Wohnungen
festgenommen und in Stadien und Gefängnisse gebracht. Viele wurden
verbannt und landeten später auf unbewohnten Inseln der Ägäis ode
r in
abgelegenen Gebirgsdörfern auf dem Festland.  

Bald wurden die Namen der Putschisten bekannt. Ihr Anführer
war Oberst Georgios Papadopoulos, ein Mann, der enge Kontakte mit dem
amerikanischen Geheimdienst CIA gepflegt haben soll. Wie weit
Washington damals am Putsch beteiligt war, ist heute noch unklar.
Jedenfalls duldeten die USA die Diktatur. Sie brauchten damals ihre
griechischen Stützpunkte und Abhörstationen, nicht nur wegen des
Kalten Krieges, sondern auch wegen der arabisch-israelischen Kriege
1967 und 1973.

Der Putsch kam nicht aus heiterem Himmel. Der Machtergreifung der
Obristen war ein endloser politischer Streit vorausgegangen: Zwischen
dem Königshaus, den Konservativen und den Mitte-Links-Parteien
herrschte kontinuierlich Ärger. Populisten auf beiden Seiten trieben
das Land in immer neue und tiefere Krisen. Demonstranten starben auf
den Straßen. Ein linker Politiker wurde ermordet. 

Papadopoulos und seinen Komplizen gelang es in diesem Klima der
Verunsicherung, alle zu überraschen und binnen weniger Stunden das
Land zu kontrollieren. Der damals 25 Jahre alte und unerfahrene König
Konstantin II. machte einen groben politischen Fehler und vereidigte
die Obristenjunta. Er habe einen Bürgerkrieg abwenden wollen, sagt er
immer wieder, wenn er darauf angesprochen wird. Wenige Monate später
begriff Konstantin, dass er endgültig das Vertrauen der Griechen
verloren hatte. Er versuchte mit einem schlecht organisierten
operettenhaften Gegenputsch, die Obristen zu stürzen. Das schlug fehl
und Konstantin ging ins Exil.

Die Europäer legten nach dem Staatsstreich die griechische Kandidatur
für den Ausbau des Assoziierungsabkommens und die Aussicht auf eine
Mitgliedschaft in der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
(die heutige EU) auf Eis. Athen wurde vom Europarat ausgeschlossen.
Viele Griechen leisteten Widerstand. Als Höhepunkt gilt ein
Studentenaufstand, der am 17. November 1973 blutig niedergeschlagen
wurde.

Das Ende der Obristenjunta kam unter dramatischen Umständen im Juli
1974: Unter den Obristen herrschte Streit, und ein neuer Anführer,
Dimitrios Ioannidis, stürzte Papadopoulos nach dem Studentenaufstand.
Ioannidis war ein «mysteriöser, aus dem Hintergrund agierender Typ»,

sagen Menschen, die ihn kannten. Er brauchte dringend einen Erfolg.
Er befehligte eine «naive und verräterische Aktion», wie Historiker
es nennen: Die Junta von Athen lancierte am 15. Juli 1974 einen
Putsch auf Zypern, um die Insel an Griechenland anzuschließen. Damit
öffnete sie das Tor für eine türkische Militärintervention am 20.
Juli 1974 - zum Schutz der türkisch-zyprischen Minderheit (damals 18
Prozent der Bevölkerung). Seitdem ist Zypern geteilt und gilt als ein
Konflikt, der nur ganz schwer zu lösen ist.

Die Obristen gerieten nach dem Zyperndebakel in Panik. Das Regime
rief den im Exil in Paris lebenden konservativen Politiker
Konstantinos Karamanlis(1907-1998) nach Athen zurück. Dieser bildete
eine Regierung der Nationalen Rettung und führte das Land binnen
weniger Monate zurück zur Demokratie. Die Monarchie wurde bei einer
Volksabstimmung abgeschafft. Die Anführer des Putsches wurden zum
Tode verurteilt, die Strafe wurde jedoch sofort in lebenslänglich
umgewandelt. Alle sind inzwischen gestorben. Reue zeigten sie nie.

Für Griechenland begann eine lange Zeit der politischen Normalität,
die das Land in seiner turbulenten Geschichte noch nie erlebt hatte.
Eine verglichen mit allen Nachbarn gut funktionierende Demokratie
verwandelte das Land in einen Hort der Stabilität im östlichen
Mittelmeer.

Heute befindet sich Griechenland erneut an einem Scheideweg. Die
schwere Finanzkrise hat die politische Landschaft verändert. Große
etablierte Traditionsparteien wie die Sozialisten laufen Gefahr, von
der politischen Landkarte zu verschwinden. Radikale Kräfte,
Populisten aller Art und auch Rechtsextremisten kommen wieder ans
Tageslicht. Einzige Hoffnung für die meisten Griechen bleibt die
EU-Mitgliedschaft, wie zahlreiche Umfragen zeigen.