Schäuble wirft Athen Verzögerungen bei Reformverhandlungen vor

21.04.2017 18:30

Athen legt überraschend bessere Haushaltszahlen vor, als von den
Geldgebern gefordert. Dennoch zieht sich die Freigabe weiterer
Hilfsmilliarden hin. Das hat aber ganz andere Gründe.

Washington/Athen (dpa) - Trotz überraschend guter Haushaltszahlen
Griechenlands zeichnet sich weiter keine rasche Freigabe weiterer
Hilfsmilliarden für das angeschlagene Euro-Land
ab. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warf Athen vor, nach
der jüngsten grundsätzlichen Einigung über weitere Reformen die
laufenden Verhandlungen wegen der Osterferien zu verzögern.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF), der sich bisher nicht
finanziell am neuen Rettungspaket beteiligt, hielt sich zurück. Ziel
sei es nicht vorwiegend, einen großen Primärüberschuss zu
erwirtschaften, sondern die Wirtschaft neu zu restrukturieren, um
wieder nachhaltig Wachstum zu erzielen, sagte IWF-Europachef Poul
Thomsen. Die Kernfrage sei nun, wie lange der hohe Überschuss zum
Schuldenabbau beibehalten werden solle. Der IWF plädiere für eine
relative kurze Zeit, um Wachstum nicht abzuwürgen.

Schäuble zeigte sich verwundert, über die griechische Verzögerung.
«Das hat einige überrascht, mich auch», sagte er am Freitag in
Washington. Nach der politischen Grundsatzeinigung hätten die vier
Geldgeberinstitutionen sofort wieder nach Athen reisen können. Dies
sei aber wegen der griechischen Osterpause nicht möglich gewesen,
sagte er am Rande der Frühjahrstagung des Internationalen
Währungsfonds (IWF). 

Dabei wollte er sich auch mit dem griechischen Finanzminister Euklid
Tsakalotos treffen. Gespräche hatte es zuvor auch zwischen Tsakalotos
und IWF-Chefin Christine Lagarde gegeben. Diese seien konstruktiv
gewesen, sagte Lagarde. Bei der Frage von Renten- und Steuerreformen
seien zuletzt deutliche Fortschritte erzielt worden. In der nächsten
Woche sollen wieder IWF-Experten nach Athen reisen.

Griechenland hat 2016 nach Angaben seines Statistikamtes einen
Primärüberschuss von 3,9 Prozent der Wirtschaftsleistung erzielt. Bei

diesem Haushaltssaldo werden die Kosten für den Schuldendienst
herausgerechnet. Die 3,9 Prozent liegen über den Vorgaben der
internationalen Geldgeber. Dem Vernehmen sind sie allerdings auch
Folge von Einmalmaßnahmen und sollten aus Sicht etwa des IWF daher
nicht überbewertet werden.

Die Eurogruppe und Griechenland hatten sich vor knapp zwei Wochen auf
weitere Reformen geeinigt, damit weitere Hilfskredite aus dem bis zu
86 Milliarden Euro umfassenden dritten Rettungspaket freigegeben
werden können. Die Geldgeberinstitutionen sind danach aber nicht zu
weiteren Verhandlungen nach Athen gereist. Die griechische Regierung
wollte zunächst die Osterferien sowie die Frühjahrstagung des IWF
abwarten.  

Der IWF will erst nach der Verabschiedung der Reformen und einer
Analyse über die Tragfähigkeit der griechischen Schulden entscheiden,
ob er sich am dritten Hilfsprogramm beteiligt. Dies ist vor allem für
Deutschland und die Niederlande unabdingbar. Ohne den IWF entfalle
die Geschäftsgrundlage für das dritte Programm, sagte Schäuble und
betonte zugleich: «Der IWF verzögert den Prozess überhaupt nicht.»


Über mögliche Schuldenerleichterungen soll erst nach Auslaufen des
dritten Hilfsprogramms im Sommer 2018 beraten werden. Der IWF pocht
aber darauf, über Berechnungsweisen zu reden. Griechenland hängt seit

2010 am Tropf internationaler Geldgeber.

Der Primärüberschuss ist ein Streitpunkt zwischen dem Krisenland und
seinen Geldgebern. Er blendet den - im Falle Athens immensen -
Schuldendienst, also die Ausgaben für Zinsen und Tilgung laufender
Kredite aus, um Fortschritte bei den Ausgaben und Einnahmen besser
erkennen zu können.

Die Europäer erwarten, dass das hoch verschuldete Land auch
mittelfristig einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent erwirtschaftet.
Dann könnte Athen nach Einschätzung der europäischen Geldgeber die
Zinsen für seine Schulden zahlen. Aktuell liegt die Schuldenquote bei
179 Prozent der Wirtschaftsleitung. Der IWF war bisher skeptischer.

Schäuble bekräftigte, dass künftige Rettungsprogramme in der Eurozo
ne
ohne den IWF gestemmt und zügig ein Europäischer Währungsfonds
aufgebaut werden sollte. Diskutiert wird, den Euro-Rettungsfonds ESM
zu einem solchen Fonds auszubauen. Aber beim aktuellen
Griechenland-Programm müsse der IWF an Bord bleiben, sagte Schäuble.

Scharfer Widerspruch zur Idee eines Europäischen Währungsfonds kam
von der FDP. Parteichef Christian Lindner sprach von einer «roten
Linie» für eine mögliche Koalition mit der Union: «Es darf keinen
endgültigen deutschen Kurswechsel in der europäischen Stabilitäts-
und Fiskalpolitik geben.» Der IWF werde gerade von
stabilitätsorientierten Ländern wie Deutschland benötigt, damit diese

Staaten bei einer drohenden Vergemeinschaftung von Schulden nicht
überstimmt werden könnten, sagte Lindner.