Bericht: Mehr als 100 Gefährder in Deutschland ausreisepflichtig

22.04.2017 19:16

In Deutschland leben mehr als 100 ausreisepflichtige Gefährder. Nur
ein kleiner Teil davon wurde bislang abgeschoben - die meisten nach
Tunesien. Das Land arbeitet an einer Anti-Terror-Strategie.

Berlin (dpa) - In Deutschland leben einem Zeitungsbericht zufolge
mehr als 100 ausreisepflichtige Gefährder. Über 30 Prozent seien
türkische Staatsangehörige, berichtet die «Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung» unter Berufung auf Sicherheitskreise. Eine Recherche
bei den Landesinnenministerien habe ergeben, dass 13 islamistische
Gefährder seit Jahresbeginn in ihre Heimatländer abgeschoben worden
seien, davon 7 nach Tunesien. Das Bundesinnenministerium berichtete
jedoch nur von 10 Abschiebungen seit Jahresbeginn.

Als Gefährder stuft die Polizei Extremisten ein, denen sie zutraut,
einen Anschlag zu begehen. Das Bundesinnenministerium zählt derzeit
950 islamistische Gefährder und als ähnlich gefährlich betrachtete
«relevante Personen» aus deren Umfeld. Doch nur die gut 100 Personen
können abgeschoben werden. Denn rund zwei Drittel der Gefährder und
relevanten Personen sind nach Angaben des Ministeriums deutsche
Staatsbürger oder andere EU-Bürger. Von den Verbleibenden ist
wiederum nur ein Drittel ausreisepflichtig. Die Zahl der Gefährder im
engeren Sinne bezifferte der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger
Münch, am Freitagabend im ZDF auf rund 650.

Mehrere der aus Deutschland abgeschobenen Tunesier seien nach ihrer
Rückkehr wegen Terrorverdachts inhaftiert worden, sagte der Sprecher
des auf Terrorfälle spezialisierten Gerichts in Tunis, Sofiane Sliti,
am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Seinen Angaben zufolge wird
gegen etwa zehn Personen ermittelt. Sie befänden sich wegen möglicher
Verbindungen zu Terrororganisationen in Haft.

Deutschland und Tunesien hatten sich nach dem Anschlag auf einen
Berliner Weihnachtsmarkt auf schnellere Abschiebungen in das
nordafrikanische Land geeinigt. Mitte Dezember hatte der Attentäter
Anis Amri in Berlin zwölf Menschen getötet. Der Asylantrag des
Tunesiers war abgelehnt worden. Er konnte aber nicht abgeschoben
werden, weil tunesische Behörden die Papiere dafür nicht rechtzeitig
bereitgestellt hatten.

Nicht jeder abgeschobene Tunesier habe allerdings Verbindungen zum
Terrorismus, betonte der Justizsprecher. Die Behörden arbeiteten
derzeit an einer Anti-Terror-Strategie. Tunesien hat nach den
Umwälzungen im Jahr 2011 weitreichende demokratische Reformen
eingeleitet und geht seit einiger Zeit massiv gegen mutmaßliche
Terroristen vor.