Auf halbem Weg zum Élysée: Hat Macron den Sieg in der Tasche? Von Martina Herzog, dpa

24.04.2017 14:35

Der Reformer nimmt schwungvoll Kurs aufs Präsidentenamt. Von seinen
Anhängern lässt er sich schon als fast Staatschef feiern. Mit dem
Sieg in Reichweite ist Macrons größter Feind vielleicht... Macron.

Paris (dpa) - Der Kampf ums Präsidentenamt im Frankreich ist spannend
wie selten. Die klassischen Regierungsparteien sind aus dem Rennen.
Und der Favorit für das Finale in zwei Wochen ist ein
Senkrechtstarter ohne Wahlerfahrung. Was dem Mitte-Links-Kandidaten
Emmanuel Macron Auftrieb gibt - und wo Fallstricke lauern.

Könnte Marine Le Pen am 7. Mai zur Präsidentin gewählt werden?

Das ist möglich, aber derzeit unwahrscheinlich.
Meinungsforschungsinstitute sagen einen deutlichen Vorsprung Macrons
in der zweiten Wahlrunde mit 61 oder 62 Prozent vor Le Pen mit 38
oder 39 Prozent voraus. Die (noch) regierenden Sozialisten haben ihre
Unterstützer bereits aufgerufen, sich hinter Macron zu stellen. Auch
der ausgeschiedene konservative Kandidat François Fillon ruft zum
Widerstand gegen Le Pen auf - aber wie eng die Reihen sich schließen,
ist noch nicht absehbar.

Was könnte schief gehen für Macron?

Die offensichtliche Stärke Macrons könnte sich in eine gefährliche
Schwäche verwandeln, warnt der Politologe Henrik Uterwedde vom
Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg. «Die große Gefahr ist,

dass viele Leute sagen «Das Rennen ist doch eh schon gelaufen» und
dann gar nicht mehr zur Wahl gehen. Und dann könnte es noch mal knapp
werden.»

Außerdem muss Macron aufpassen, dass er nicht auf den letzten Metern
patzt. Zwar hat er zwei Jahre lang als Wirtschaftsminister unter
François Hollande Regierungserfahrung gesammelt. Doch ein gewähltes
Amt hatte der 39-Jährige noch nie. Sein öffentlicher Jubel nach dem
Etappensieg im ersten Wahlgang strahle nicht die nötige präsidiale
Würde aus, mahnt Politikwissenschaftler Thomas Guénolé von der
Pariser Hochschule Sciences Po. «Er benimmt sich wie ein jugendlicher
König und nicht wie ein Staatsmann.»

Also kann Europa aufatmen?

Ja - und nein. Die unmittelbare Bedrohung durch eine EU-feindliche
Präsidentin Le Pen scheint gebannt. Die Gefahr wäre nicht zu
unterschätzen, denn die Chefin der rechtsextremen Front National (FN)
will ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft ihres Landes abhalten
und Frankreich aus dem Euro führen.

Doch selbst, wenn Macron Präsident wird, bietet die Stimmung in
Frankreich EU-Befürwortern weiter Grund zur Sorge. Wenn man die
Stimmen für den linksgerichteten Europakritiker Jean-Luc Mélenchon
hinzurechnet, haben etwa 40 Prozent der Wähler für EU-skeptische bis
-feindliche Kandidaten votiert. Fazit: Ein Europafreund kann eine
Wahl gewinnen - aber EU-Kritiker finden auch viel Zuspruch.

Krempelt Macron nun Frankreich um?

Er hat in der Tat versprochen, den Reformstau zu beenden und die maue
Konjunktur anzuschieben. 120 000 Stellen im öffentlichen Dienst will
er streichen und in fünf Jahren 60 Milliarden Euro einsparen. Seine
neu geschaffene Bewegung «En Marche!» (Auf dem Weg) könnte ihn mit
ihrer Begeisterung nun in den Élyséepalast tragen.

Doch Macron hat ein großes Manko: Eine Partei mit Sitzen im Parlament
ist «En Marche!» bislang nicht. Wenn ihm die Parlamentswahlen am 11.
und 18. Juni keine Mehrheit bringen, hängt der mutmaßliche Präsident

Macron von der Gnade der etablierten Parteien ab, also den
Sozialisten und Konservativen. Die wiederum wollen nach der
krachenden Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen auch ihre eigene
Haut retten. Und wenn der mit großen Versprechen gestartete Reformer
scheitert - dann könnte bei der nächsten Präsidentenwahl in
spätestens fünf Jahren Marine Le Pen vielleicht doch noch
triumphieren.