Frankreich-Wahl: Erfolg oder Delle für Europas Rechtspopulisten? Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa

24.04.2017 16:26

Bei Wahlen liest jeder aus den Zahlen, was ihm gerade passt. Auch das
Ergebnis in Frankreich ist schillernd, gerade mit Blick auf die
rechtspopulistische Welle in Europa.

Brüssel (dpa) - Die Rechtspopulistin und EU-Feindin Marine Le Pen in
der zweiten Runde der Präsidentenwahl in Frankreich: Die Analysen
dieses Zwischenstands fallen sehr unterschiedlich aus. Erleichtert
äußert sich der CDU-Europapolitiker Elmar Brok - weil Le Pen nur
Zweite hinter dem sozialliberalen Europafreund Emmanuel Macron wurde.
Und weil sie nicht so stark abschnitt wie in einigen Umfragen.

Brok sieht einen Dämpfer für nationalistische und antieuropäische
Kräfte in ganz Europa. «Die rechtspopulistische Welle in Europa ist
gebrochen», schreibt auch die «Süddeutsche Zeitung». Andere sind
indes entsetzt über den Stimmenzuwachs für Le Pen und andere
Fundamentalkritiker. Es gibt gute Argumente für beide Sichtweisen.

Pro: Die Populismuswelle in Europa hat ihren Zenit überschritten

Die Ergebnisse der jüngsten Wahlen in Österreich, den Niederlanden
und jetzt eben in Frankreich fielen für Rechtspopulisten schlechter
aus als erwartet. In Österreich schlug mit dem ehemaligen Grünen-Chef
Alexander van der Bellen ein ausgewiesener Europafreund den
FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer bei der Präsidentschaftswahl im
Dezember.

Bei der Parlamentswahl in den Niederlanden wurde die Partei des
Rechtspopulisten Geert Wilders nicht - wie in frühen Umfragen -
stärkste Kraft, sondern kam mit gut 13 Prozent der Stimmen nur auf
etwa 20 Sitze - statt der von ihm angestrebten 30.

Auch Le Pen in Frankreich sah in den Umfragen lange wie die klare
Siegerin des ersten Wahlgangs aus. Letztlich kam sie aber hinter
Macron nur als Zweite ins Ziel. Die rechtspopulistische Alternative
für Deutschland (AfD) verliert in Umfragen seit Monaten - von 14
Prozent im September auf zuletzt nur noch 7 bis 8 Prozent.

Weiteres Argument: Erstmals zeigen proeuropäische und
antinationalistische Bürger massenweise Flagge und gehen auf die
Straße. Seit Wochen demonstrieren bei «Pulse of Europe» immer wieder

Tausende für die Europäische Union und eine weltoffene und
vielfältige Gesellschaft. Auf EU-Ebene ist - nicht zuletzt wegen des
Erschreckens über den Brexit - eine Reformdebatte in Gang gekommen.
Es gibt also Selbstreinigungskräfte, die den EU-Feinden letztlich den
Wind aus den Segeln nehmen könnten.

Kontra: Die Rechtspopulisten frohlocken weiter

Front-National-Chefin Le Pen hat mit 7,6 Millionen Stimmen einen
Rekord in der Geschichte ihrer Partei erzielt, noch einmal 800 000
mehr als bei der Regionalwahl 2015. Auch Wilders legte im März in den
Niederlanden zu - nur eben bei weitem nicht so stark wie
zwischendurch gedacht. Und Rechtspopulist Hofer kam in Österreich
immerhin auf 46,2 Prozent.

In Frankreich erreichten neben Le Pen weitere europafeindliche oder
radikale Kräfte erhebliche Stimmenanteile. Die Rechnung hinkt zwar,
weil sich die Politik Le Pens von der des Linksaußen Jean-Luc
Mélenchon teils stark unterscheidet. Berührungspunkt waren aber
gerade die Breitseiten gegen Brüssel und gegen die größten
etablierten Parteien. Oder anders gesagt: Ein großer Teil der
Franzosen stellt sich gegen die herkömmliche Politik in Paris wie in
Brüssel. Das Protestpotenzial ist riesig und bleibt für die Rechte
verfügbar.

Zudem: Die Rechtspopulisten in Europa sind inzwischen gut vernetzt
und stützen sich gegenseitig. AfD-Chefin Frauke Petry gratulierte
ihrer Kollegin Le Pen mit den Worten, die Abstimmung habe gezeigt,
dass Frankreich ebenso wie Deutschland «den Mehltau aus Stagnation
und übertriebener politischer Korrektheit» ablehne. Der Chef der
ausländerfeindlichen Lega Nord, Matteo Salvini, nannte Le Pens
Ergebnis «einen Sieg des Volkes gegen die Eliten». Die rassistische
Goldene Morgenröte in Griechenland jubelte: «Ein neuer Tag hat für
Frankreich und Europa hat begonnen.» Wilders bejubelte Le Pens
Ergebnis schon als Sieg: «Vive La Victoire!» (Es lebe der Sieg!)

Ein Teil davon ist Wahlkampfrhetorik. Aber klein bei geben die
Rechtspopulisten keinesfalls. In Österreich sagte FPÖ-Chef
Heinz-Christian Strache nach der Niederlage bei der Präsidentenwahl:
«Es hat knapp noch nicht gereicht, aber die Zeit ist reif.»