EU rechnet mit Brexit-Verhandlungen ab dem 19. Juni

22.05.2017 14:22

Bei den Brexit-Verhandlungen steht viel auf dem Spiel. Die 27
bleibenden EU-Länder sind sich noch erstaunlich einig, was sie dabei
erreichen wollen.

Brüssel (dpa) - Die Europäische Union hat ihre Forderungen für die
Brexit-Gespräche mit Großbritannien endgültig festgezurrt und ist nun

startklar für die erste Verhandlungsrunde ab dem 19. Juni. Genau ein
Jahr nach der historischen Entscheidung der britischen Wähler für den
EU-Austritt beginnt damit das Ringen um die komplizierten Details der
Trennung, die Millionen Bürger direkt berühren und die für
Deutschland auch erhebliche finanzielle Folgen haben könnten.

«Wir sind bereit und wir sind gut gewappnet», sagte Chefunterhändler

Michel Barnier am Montag in Brüssel. Zuvor hatten Vertreter der 27
bleibenden EU-Länder offiziell ihre Zustimmung zur Eröffnung der
Brexit-Verhandlungen gegeben und Barnier ein Mandat dafür erteilt.
Beginnen können die Gespräche aber erst nach der britischen
Parlamentswahl am 8. Juni und nach der Regierungsbildung.

Die Gespräche würden äußerst schwierig, sagte der deutsche
Europa-Staatsminister Michael Roth. Beide Seiten könnten beim Brexit
nur verlieren. «Es ist eine Lose-Lose-Situation», sagte der
SPD-Politiker. Die bleibenden EU-Länder müssten ihre Interessen
wahren. Allerdings wolle auch niemand Großbritannien für den Austritt
bestrafen.

Ein zentrales Ziel der EU ist, bis zum Herbst eine Einigung über die
Schlussrechnung für das Vereinigte Königreich nach 40 Jahren
Partnerschaft zu erreichen. London soll seinen Anteil an allen
finanziellen Verpflichtungen tragen, die das Land während seiner
Mitgliedschaft gemeinsam mit den EU-Partnern eingegangen ist.

Offiziell nennt die EU keine Summe. Inoffiziell kursieren aber
Berechnungen von 100 Milliarden Euro oder mehr. Die britische
Regierung hält solche Summen für völlig überzogen.

Die beiden anderen zentralen Punkte für die EU: Sie will für die 3,2
Millionen EU-Bürger in Großbritannien und die 1,2 Millionen Briten in
der EU Garantien für weitere Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse. Und
sie will keine feste Grenze zwischen dem britischen Nordirland und
dem EU-Mitglied Irland, um ein Wiederaufflammen des
Nordirland-Konflikts zu vermeiden.

Erst wenn die EU bei diesen drei Punkten Fortschritte verzeichnet,
will sie über die künftigen Beziehungen des Staatenbundes zu
Großbritannien reden. Damit behält sie sich ein Druckmittel vor, denn
die britische Premierministerin Theresa May hat erklärtermaßen großes

Interesse an einem ambitionierten Freihandelsabkommen mit der EU.

May hat allerdings gedroht, die Gespräche lieber platzen zu lassen,
als ein für Großbritannien schlechtes Verhandlungsergebnis zu
akzeptieren. Vor einem Scheitern warnte EU-Unterhändler Barnier.
Niemand könne die Folgen abschätzen, wenn kein Austrittsvertrag
zustande komme. «Kein Vertrag, das ist nicht meine Option», sagte
Barnier. «Meine Option ist, dies zum Erfolg zu führen.»

Wie viel Geld Großbritannien noch an die EU zahlt, ist auch für
Deutschland von großer Bedeutung, weil bei einer Lücke in den
EU-Haushalten neue Forderungen an den Nettozahler Bundesrepublik laut
werden könnten. Österreich, das selbst ebenfalls mehr in die
EU-Haushalt einbringt als es herausbekommt, mahnt bereits vorsorglich
zu Einsparungen und Reformen. Wenn die EU kleiner und schwächer
werde, könnten die Strukturen nicht gleich bleiben, sagte
Außenminister Sebastian Kurz.