Brüssel kritisiert deutschen Exportüberschuss

22.05.2017 15:46

Deutschland exportiert, was das Zeug hält. Doch des einen Freud, des
andern Leid: Andere Länder setzt das unter Druck, und auch die
EU-Kommission ist skeptisch.

Brüssel (dpa) - Deutschland soll die heimische Nachfrage ankurbeln
und so den Exportdruck auf andere Länder senken, verlangt die
EU-Kommission. Derzeit scheiterten Investitionen hierzulande unter
anderem an komplizierten Zuständigkeiten und Genehmigungsverfahren,
monierte die Brüsseler Behörde am Montag. Für Portugal und Italien
hatte sie gute Nachrichten.

Der große Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands löst schon seit
längerem Kritik in Brüssel aus. Die Bundesrepublik produziert mehr
als sie verbraucht, viele Waren und Dienstleistungen werden
exportiert. Das könne die wirtschaftliche Erholung im Euroraum
beeinträchtigen, warnt die EU-Kommission. Auf dem Arbeitsmarkt drohe
außerdem mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft ein Arbeits-
und Fachkräftemangel. Stärkere Anreize zum späteren Renteneintritt
seien damit «unentbehrlich».

Insgesamt sieht die EU-Kommission die Lage in Europa positiv. «Das
Wirtschaftswachstum in der EU hält an und wird sich auch 2018 - im
sechsten Jahr in Folge - fortsetzen», sagte EU-Finanzkommissar Pierre
Moscovici.

Vorläufige Entwarnung gab die EU-Kommission für Italien. Im Februar
hatte die Brüsseler Behörde noch Anstrengungen von der Regierung in
Rom gefordert, damit die Verschuldung nicht aus dem Runder läuft. Die
mittlerweile eingeleiteten zusätzlichen Reformen für das laufende
Jahr reichten aus, weitere Sparmaßnahmen seien vorerst nicht nötig,
bescheinigte die EU-Behörde nun.

Italien will nach Brüsseler Angaben noch bis Jahresmitte unter
anderem die geplante Reform von Strafprozessen angehen. Zuletzt lag
der Schuldenstand bei 2,2 Billionen Euro oder 132,6 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts. Erlaubt sind nach den Kriterien der
Gemeinschaftswährung nur 60 Prozent des BIP und ein jährliches
Haushaltsdefizit von maximal drei Prozent.

Das frühere Euro-Krisenland Portugal hat sein Haushaltsdefizit wieder
unter die europäische Obergrenze von drei Prozent der
Wirtschaftsleistung gedrückt. Deshalb empfiehlt die Kommission den
EU-Staaten die Einstellung des seit 2009 laufenden Verfahrens zur
Überwachung wirtschaftlicher Ungleichgewichte, bei dem die Brüsseler
Behörde die Wirtschaftspolitik eines Landes sehr genau im Auge
behält. Das sei als Lohn der portugiesischen Reformen zu verstehen,
sagte EU-Finanzkommissar Moscovici.

Frankreich hingegen wird nach Berechnungen der EU-Kommission die
Defizit-Grenze im kommenden Jahr mit 3,2 Prozent zum wiederholten
Male überschreiten. «Die Kommission schlägt jedes Jahr die gleiche
Reformliste vor und wird jedes Jahr aufs Neue ignoriert», beklagte
der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber und forderte «spürbare
Konsequenzen». Theoretisch wären Sanktionen bis hin zu Geldstrafen
möglich. Tatsächlich wurde bisher aber noch nie ein Euro-Staat wegen
überhöhter Neuverschuldung zur Kasse gebeten - auch Deutschland
nicht, als es die Kriterien 2003 verletzte.