Human Rights Watch: EU-Zollunion an Menschenrechte in Türkei koppeln

24.05.2017 09:31

Istanbul (dpa) - Die Organisation Human Rights Watch (HRW) hat die
EU dazu aufgefordert, eine Ausweitung der wirtschaftlichen
Zusammenarbeit mit der Türkei von einer Verbesserung der dortigen
Menschenrechtslage abhängig zu machen. Bei ihrem Treffen mit
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan an diesem Donnerstag in Brüssel
müssten die EU-Spitzen Donald Tusk und Jean-Claude Juncker deutlich
machen, dass die angestrebte Ausweitung der EU-Zollunion mit der
Türkei nur dann möglich sei. HRW beklagte eine «Menschenrechts- und
Rechtsstaatlichkeitskrise» in der Türkei und forderte ein Ende des
staatlichen Vorgehens gegen Regierungskritiker in dem Land.

Die Zollunion ist für Erdogan angesichts der wirtschaftlichen
Schwierigkeiten seines Landes von großer Bedeutung. Das Abkommen aus
dem Jahr 1996 regelt, dass im Handel zwischen der EU und der Türkei
viele Waren zollfrei aus- oder eingeführt werden können. Die
EU-Kommission hatte die Mitgliedsstaaten im vergangenen Dezember um
Zustimmung zur Ausweitung der Zollunion gebeten. Die EU ist der
wichtigste Handelspartner der Türkei.

Erdogan trifft am Donnerstag am Rande des Nato-Gipfels in Brüssel
erstmals seit seinem umstrittenen Sieg bei dem türkischen
Verfassungsreferendum mit den EU-Spitzen zusammen.

Die Menschenrechtler riefen Juncker und Tusk dazu auf, Erdogan zur
Freilassung von inhaftierten Journalisten und Oppositionspolitikern
zu drängen. Erdogan müsse außerdem den Ausnahmezustand aufheben und
eventuelle Pläne zur Wiedereinführung der Todesstrafe fallenlassen.

Im Wahlkampf vor dem türkischen Verfassungsreferendum hatte Erdogan
die EU scharf angegriffen. Bei seiner Wahl zum Chef der
Regierungspartei AKP am vergangenen Sonntag hatte er aber erneut
betont, die Türkei wolle den EU-Beitrittsprozess fortsetzen. Die
Zollunion ist unabhängig von dem festgefahrenen Beitrittsprozess.