Experte mahnt Umdenken bei EU-Flüchtlingspolitik an

22.06.2017 09:32

Berlin/Brüssel (dpa) - Der Vorsitzende der Denkfabrik Europäische
Stabilitätsinitiative, Gerald Knaus, plädiert für eine neue
Flüchtlingspolitik der Europäischen Union. «Man muss die ganze
Politik neu diskutieren», sagte Knaus am Donnerstag im
«ZDF»-Morgenmagazin vor Beginn des zweitägigen EU-Gipfels in Brüsse
l.
Dort soll es auch wieder um verschiedene Aspekte der Flüchtlingsfrage
gehen. Die Denkfabrik war maßgeblich an der Gestaltung des
Flüchtlingspakts der EU mit der Türkei beteiligt gewesen.

Aus Sicht von Knaus sind schnelle Asylverfahren in den Ländern nötig,
in denen die Migranten ankommen. Abkommen mit Herkunftsländern
müssten dort ein Interesse schaffen, ihre Bürger ab einem Stichtag
zurücknehmen, sie müssten auch Möglichkeiten legaler Migration
schaffen.

Kritisch blickt Knaus darauf, dass die EU die libysche Küstenwache
unterstützt - diese soll Schleuser bekämpfen, aber auch Flüchtlinge
zurück nach Libyen bringen. «Da gibt es rechtliche, moralische, aber
(...) auch praktische Zweifel, dass das in irgendeiner Form jemals
klappen kann», sagte Knaus.

Man sehe die Versuche seit zwei Jahren, doch die Anzahl der
Flüchtlinge, die aus Nordafrika über das Mittelmehr nach Europa
kommen, stiegen. Allein in den ersten fünf Monaten 2017 sind mehr als
60 000 Flüchtlinge über Libyen nach Europa gekommen - 26 Prozent mehr
als ein Jahr zuvor. Etwa 1700 Menschen kamen von Januar bis Mai auf
der Flucht ums Leben.